Entlastungsprogramm 2015-2018: Paket 1, Mantelerlass: Vernehmlassungsantwort der SP Kanton Zug

7. Juli 2015

Entlastungsprogramm 2015-2018: Paket 1, Mantelerlass für Verordnungen; Verwaltungsexterne Vernehmlassung

 

Sehr geehrter Herr Regierungsrat Hegglin
Geschätzte Damen und Herren

Die SP des Kantons Zug bedankt sich für die Möglichkeit, an dieser Vernehmlassung teilzunehmen. Das sog. Paket 1 umfasst gemäss Vorlage der Regierung 139 Massnahmen, die in der Kompetenz des Regierungsrates liegen. Die vorliegende Vernehmlassungsantwort wurde in einer Arbeitsgruppe erarbeitet und fasst die verschiedenen Ergebnisse zusammen.

 

Allgemeine Bemerkungen (Teil I):

1 ) Grundsätze

Das Ziel eines ausgeglichenen Finanzhaushaltes ist zwar gemeinsam (siehe S. 1 im regierungsrätlichen, erläuternden Bericht vom 5. Mai 2015), doch im Konkreten hat die SP seit Bekanntwerden des Entlastungsprogramms 2015-2018 mehrfach die Vorbehalte gegenüber den Vorschlägen der Regierung festgehalten. Die sog. „geeigneten Massnahmen“ (siehe erläuternder Bericht S. 1 Pkt 2) schätzen wir anders ein: Ganz grundsätzlich ist zu kritisieren, dass die Regierung das Defizit ausgabenseitig steuern will; die Einnahmenoptimierung und verbesserte Steuerausschöpfung wird aussen vor gelassen. Dies ist in unseren Augen weder kohärent noch längerfristig überzeugend. Seitens der SP fordern wir, dass grundsätzlich drei Wege angemessen berücksichtigt werden, die allesamt nicht primär auf Kosten von Nichtreichen und des Mittelstandes und Familien gehen sollen:

  • Steigerung der Einnahmen, u.a. auch mit einer Erhöhung des Steuerfusses oder mit dem Aufheben von durchgeführten Steuerreduktionen
  • Reduktion bei den geplanten Investitionen, die mittelfristig dann weniger Abschreibungen nach der Investition ergeben, sowie auch weniger an Unterhaltskosten generieren
  • Anpassung der Ausgaben, wo es sozial- und umweltverträglich ist

Leider unterlässt es der Regierungsrat im Rahmen des Entlastungsprogramms bei den Steuern grössere Anpassungen vorzunehmen, von den wenigen Korrekturen wie im Bereich vom Kinder- und Pendlerabzug abgesehen.

 

2) Vereinbarkeit mit übergeordnetem Recht (Antrag)
Aufgrund der vorgelegten Unterlagen ist davon auszugehen, dass der Regierungsrat nicht geprüft hat, ob alle Massnahmen des Entlastungsprogramms mit dem übergeordneten Recht zu vereinbaren sind (d.h. mit internationalen Verträge, der Bundesverfassung, den Bundesgesetzen und Bundesverordnungen, den einzelnen Programmvereinbarungen zwischen dem Kanton Zug und dem Bund [zum Beispiel: KIP-Vereinbarung 2014 – 2017; Programmvereinbarung im Umweltbereich 2014 – 2015, Waldbewirtschaftung; Programmvereinbarung Denkmalpflege usw.). Es ist davon auszugehen, dass der Regierungsrat es anscheinend unterlassen hat, die bei den Programmvereinbarungen mitinvolvierten Bundesbehörden in Bezug auf die vorgeschlagenen Massnahmen freundeidgenössisch zu kontaktieren.

Der Regierungsrat hat daher die einzelnen Massnahmen des gesamten Entlastungsprogramms je auf die Einhaltung bundesrechtlicher und internationaler Vorgaben zu überprüfen, und zwar auch in Form von entsprechenden Abklärungen bei den zuständigen Bundesbehörden. Die SP stellt mit Nachdruck einen entsprechenden Antrag. Namentlich ist auch der erläuternde Bericht «Entlastungsprogramm 2015–2018: Paket 1, Mantelerlass für Verordnungen» durch entsprechende rechtliche Abklärungen zu ergänzen.

Dasselbe gilt natürlich auch bei den “Massnahmen ohne Gesetzesänderung”, die vordergründig nicht Gegenstand der Vernehmlassung sind.

 

3 ) Sozialverträglichkeit des Entlastungsprogramms
Themenfelder Ergänzungsleistungen (2.02; 4.46)
Hier sollen sich diejenigen Leute, welche sich kein normales Heimzimmer leisten können, einschränken müssen. Beim Vermögensverzehr werden die Leute dazu ermuntert, ihr Vermögen „frühzeitig“ zu verschenken, damit sie bei einem Heimeintritt nicht alles für die Kosten aufwenden müssen. Mit beiden Vorschlägen entsteht eine Zweiklassengesellschaft.

Arbeitslosenhilfe und Mutterschaftsbeiträge (4.01b; 4.08c)
Hier geht es um Angebote, welche in anderen Kantonen nur bedingt angeboten werden. Sie verhindern auf jeden Fall, dass Leute unnötigerweise in die Sozialhilfe geraten. Es ist ebenfalls eine klare Verschiebung auf Kosten der Gemeinden, auch wenn die Arbeitslosenhilfe von den Gemeinden bereits jetzt schon vollständig bezahlt wird. Der Kanton spart nur die 0.8 Personalstellen.

Fazit: Mit den Vorschlägen werden die Gemeinden massiv belastet. Dies nicht nur mit Geldbeträgen sondern auch mit zusätzlicher Arbeitszeit. Da das Sozialwesen bei den Bürger- und Einwohnergemeinden liegt, wird ein System geschaffen, welches im 19. Jahrhundert und Anfangs des 20. Jahrhunderts vorherrschte. All dies ist eines sozialen Staates nicht würdig, wenn Leute am untersten Rand leben müssen und noch zusätzlich eingeschränkt werden, nur weil der Staat keine besseren Sparideen erarbeitet.

 

4) Massnahmen betreffend Mitarbeitende der kantonalen Verwaltung
Wir geben zu bedenken, dass eine Reihe von Massnahmen, die das Personal betreffend, sowohl längerfristig einschneidend sein können und/oder in der Fülle grundsätzlich demotivierend auf die Arbeit wirken können – dabei denken wir auch an „kurzfristige“ Massnahmen wie der Verzicht auf die Abgabe von REKA-Checks. Die kantonalen Mitarbeitenden leisten täglich wichtige Arbeit und sorgen dafür, dass die Zuger Verwaltung grundsätzlich einen guten Ruf geniesst. Wir möchten dafür plädieren, insbesondere auch individuelle Lagen positiv zu beurteilen.
Darüber hinaus teilen wir mit anderen AkteurInnen die grundsätzliche Skepsis, die die längerfristig wirksamen Massnahmen anbelangt, namentlich der Split der Lohnklasssen von 10 in neu 20 Lohnstufen. Zu den entsprechenden detaillierten Ausführungen verweisen wir explizit auf die Stellungnahme des Staatspersonalverbands des Kantons Zug.

 

5) Zugang zu Informationen sowohl für ParlamentarierInnen als auch die Öffentlichkeit allgemein und Evaluierung
Die verfügbaren Informationen sind – nebst der Gesamtliste zum Entlastungspaket – für die Öffentlichkeit sehr eingeschränkt. Zum Paket 1 führt die Regierung aus, dass dieses grundsätzlich 139 Massnahmen umfasst, allerdings bedürfen davon ausschliesslich 16 Massnahmen, für deren Umsetzung eine Verordnungsänderung notwendig wird. Obschon die übrigen Massnahmen in der Kompetenz des Regierungsrates liegen, bitten wir um eine adäquate Berichterstattung. Namentlich möchten wir den Regierungsrat auch bitten aufzuzeigen, wie aktuell – aber auch mittelfristig – der Zugang zu Informationen geplant, resp. schon umgesetzt wird. Uns würde beispielsweise (!) auch interessieren, welche Zielgruppen bei den einzelnen Massnahmen grundsätzlich betroffen sind.

Darüber hinaus möchten wir die Regierung dringend bitten aufzuzeigen, welche Evaluierungsinstrumente zu den geplanten Massnahmen zum Einsatz gelangen sollen (oder bereits zum Einsatz gelangen) und auf welche Art und Weise diese öffentlich kommuniziert werden.

 

Kommentare zu einzelnen Verordnungsänderungen (Teil II):

Massnahme 2.32c im Kontext Soziale Sicherheit / Invalidität
Bei verschiedensten Punkten (2.01; 2.32 im Paket 1), die das Themenfeld „Invalidität“ (so bezeichnet von der Regierung) betreffen, sollen Kosten im Umfang von CHF 3.2 Mio. eingespart resp. verschoben werden. Die Verschiebungen gehen zu Lasten der Gemeinden oder der Institutionen, welche sich für die Menschen mit einer Behinderung kümmern (Arbeit, Wohnen, betreuen). Die Forderung an Institutionen, keine Erhöhung der Lohnkosten durchzuführen, führt zu einem Abbau von qualifiziertem Personal und die Platzierungssicherheit wird dadurch gefährdet. Selbst die Direktbetroffenen werden nicht verschont. Da sie jedoch sehr oft von einer IV- und EL-Rente leben, müsste die Gemeinde einspringen, was aber klar den bundesgesetzlichen Vorgaben widerspricht (siehe auch 2.).
Ein weiterer wichtiger Punkt darf nicht vergessen werden: Wenn die Leistungen in den Wohnheimen und Beschäftigungsplätzen abgebaut werden, werden die betreuenden Angehörigen überlastet, was zur Folge hat, dass häufigere und längere Klinikaufenthalte notwendig werden. Damit werden erneut Kosten nicht eingespart, sondern mittel- und längerfristig verlagert und verschoben. Alle Vorschläge werten wir daher als kurzfristige und kurzsichtige Massnahmen (welche die Kantonskasse vordergründig entlasten), sie lösen jedoch die Steuerungsfrage der Kosten im Bereich Soziale Einrichtungen nicht.

2.32 Soziale Einrichtungen, keine kantonale Finanzierung mehr bei „Nicht IV Anspruch“
Mit diesem Anliegen werden „Verhältnisse wie in Zürich“ geschaffen. Kleinere Gemeinden und Bürgergemeinden können oder wollen sich keine Heimkosten für ihre MitbürgerInnen leisten. Diese Personen verwahrlosen, gefährden sich und andere und leben allenfalls auf der Strasse. Will und kann sich der Kanton Zug ein solches Bild leisten?

 

Wir bilanzieren, dass mit vielen Vorschlägen (über das Paket 1 hinaus) die Gemeinden massiv belastet werden. Dies nicht nur mit Geldbeträgen, sondern ebenso mit zusätzlicher Arbeitszeit. Da gerade das Sozialwesen bei den Bürger- und Einwohnergemeinden liegt, wird ein System geschaffen, welches im 19. Jahrhundert und Anfangs des 20. Jahrhunderts vorherrschte. All dies ist eines Sozialstaates nicht würdig, wenn Menschen am untersten Rand oder als Mittelstand mit Familien leben müssen und noch zusätzlich eingeschränkt werden, nur weil vorderhand politisch keine Bereitschaft da ist, andere Massnahmen (sprich: Einnahmenerhöhungen) umzusetzen.

 

Massnahme 2.16: Verzicht auf den kantonalen Integrationskredit
Die Streichung des kantonalen Integrationskredits ist in unseren Augen keine Lösung und zwar aus folgenden Überlegungen:

  • Projekte, die über den kantonalen Integrationskredit mitfinanziert werden, weisen grundsätzlich über einen anderen Charakter als jene vom KIP auf. Das KIP (kant. Integrationsprogramm) ist ein Programm. Das mit dem Bund ausgehandelt wurde, vom Bund finanziell mitgetragen wird und längerfristig angelegt wird. Diese Aktivitäten basieren generell auf einem umfassenden Monitoring. Der kantonale Integrationskredit hingegen unterstützt kurzfristige Projekte, oft auch mit sehr lokalem Charakter und auch von Ehrenamtlichen und Freiwilligen getragen.
  • Wenn alternativ das Geld über den Lotteriefonds geltend gemacht werden müsste, erachten wir das staatspolitisch nicht als korrekt. Erstens sollen für Staatsaufgaben nicht Lotteriegelder eingesetzt werden und zweitens würde dann auch eine inhaltliche Steuerung entfallen.

Insofern beantragen wir, diesen Kredit nicht zu streichen, gerade auch angesichts dessen, dass er im Gesamtkontext des KIP nicht umfangreich ist, inhaltlich aber eine gute Ergänzung für die Unterstützung von „Kleinprojekten“ darstellt.

Massnahme 8.24b: Genereller Verzicht auf REKA-Checks:
Gegen diesen Verzicht wehren wir uns nicht vehement, aber wir möchten zu bedenken geben, dass verschiedene solcher „Goodies“ für die Mitarbeitenden grundsätzlich auch demotivierend wirken können.

Massnahme 8.08: Kürzung bezahlter Studienurlaube
Im Kontext von bezahlten Studienurlauben möchten wir zu bedenken geben, wie allenfalls freiwillige unbezahlte Urlaube stärker gefördert oder bewilligt werden könnten. Dies könnte alle Mitarbeitenden betreffen und nicht ausschliesslich eine bestimmte Gruppe (Kader) von Mitarbeitenden.

Massnahmen 3.04c, 3.04d, 3.04f, 3.22, 3.84, 4.58g, 4.58r: Verordnung über die Unterrichtsverpflichtung der Lehrpersonen an Mittel- und Berufsfachschulen
Die Pflichtlektionenzahl für Lehrpersonen an kantonalen Gymnasien, an der WMS und der FMs beträgt 24 Lektionen. Bei der GIBZ und KBZ beträgt sie hingegen 25 Lektionen. Es gibt keine stichhaltigen Argumente, welche diese Ungleichbehandlung rechtfertigen würden. Ungleichbehandlungen müssen sich aber vernünftig begründen lassen bzw. sachlich haltbar sein. Die Ausbildung der Lehrpersonen darf nicht als Argument für die unterschiedliche Pflichtlektionenzahl beigezogen werden. Diesem Umstand wird mit der Verordnung über die Lohneinreihung der Lehrpersonen der Mittel-und Berufsfachschulen sowie der Brückenangebote Rechnungen Rechnung getragen. Wir beantragen, die Pflichtlektionenzahl der Lehrpersonen an Berufsfachschulen derjenigen der Lehrpersonen an kantonalen Gymnasien, an der WMS und FMS anzupassen.
Im Weiteren wird ein teilweiser Verzicht auf die Altersentlastung als Massnahme 3.04f beabsichtigt. Wir beantragen, dass auf dieser Verzicht nicht umgesetzt werden soll. Die Tätigkeit von Lehrpersonen bleibt bis zur Pensionierung unverändert, die Leistungsfähigkeit und Belastbarkeit nimmt mit zunehmendem Alter jedoch tendenziell ab. Diesem Umstand trägt bis anhin die Altersentlastung Rechnung. Aktuell ist momentan im Kanton Zug gesetzlich festgelegt, dass zwei Entlastungslektionen für Lehrpersonen ab dem 55. Altersjahr und drei Lektionen ab dem 60. Altersjahr vorgesehen sind. Entsprechend steht den Mitarbeitenden der Verwaltung ab dem 50. Lebensjahr Altersjahr zusätzlich eine fünfte Woche Ferien zu. Die vom Regierungsrat beabsichtigte Streichung der Altersentlastung erscheint uns deshalb willkürlich.

Gemäss §5 sollen die Mehr- und Minderlektionen berücksichtigt werden. Wir befürchten einen grossen administrativen Mehraufwand, weshalb wir für eine einfache und pragmatische Umsetzung plädieren. Wir schlagen vor, auf die Berechnung von Exkursionen, Lehrausgängen und Sporttagen sowie den zeitlichen Aufwand von Lehrabschlussprüfungen zu verzichten.

Massnahme 3.84: Uebernahme von bis zu fünf unentschuldigten Stellvertretungslektionen durch Lehrpersonen der kantonalen Schulen
Diese Massnahme lehnen wir ab, sie ist nach dem Gebot der Gleichbehandlung aller kantonalen Mitarbeiter nicht nachvollziehbar. Bei zusätzlich geleisteter Arbeit handelt es sich um Ueberstundenarbeit im Sinne von Art. 321c OR. Diese Ueberstundenarbeit kann im gegenseitigen Einvernehmen durch Freizeit von mindestens gleicher Dauer ausgeglichen werden. Im Sinne der Gleichbehandlung aller kantonalen Mitarbeiter ist an der bestehenden Regelung (Lohnauszahlung oder Kompensation ab der ersten Lektion) festzuhalten.

 

Für die Berücksichtigung unserer Anliegen danken wir Ihnen im Voraus.

Wir bedanken uns für die Prüfung und Berücksichtigung unserer Anliegen und stehen für weitere Informationen gerne zur Verfügung.

 

Freundliche Grüsse
Für die Arbeitsgruppe der SP Kanton Zug

Barbara Gysel                                                Alois Gössi
Präsidentin, Kantonsrätin                               Kantonsrat