Aufarbeitung für die Zukunft: Umgang des Zuger Rechtsstaats mit der Crypto-Affäre. Interpellation der SP-Fraktion vom 13. Februar 2020
Laut einer internationalen Recherche unter Beteiligung von SRF sollen über hundert Staaten über manipulierte Chiffriergeräte abgehört worden sein. Die Geräte stammten von der Zuger Firma Crypto AG, die seit den 1990er Jahren vollständig von der CIA kontrolliert worden sei.
Auch der Iran war ein Geschäftspartner der Zuger Crypto-Geräte. Die dortigen Behörden schöpften jedoch Verdacht und verhafteten den Crypto-Mitarbeiter Hans Bühler im März 1992. Bühler kehrte im Januar 1993 aus dem Iran zurück. 1994 wurde die Affäre medial verhandelt – etwa in einem Rundschau-Beitrag und in einem Buch des Journalisten Res Strehle (Strehle, Res, 1994: Verschlüsselt: der Fall Hans Bühler. Zürich: Werd Verlag). Die Vorwürfe waren also schon länger bekannt.
Die weltweit für Schlagzeilen sorgende Geheimdienst-Affäre wirft gerade auch im Kanton Zug zahlreiche Fragen auf und das öffentliche Interesse an einer lückenlosen Aufklärung ist hoch. Der Bundesrat stellt sich der Aufarbeitung der Ereignisse, indem er eine unabhängige Untersuchung beschlossen hat. Zudem will die Geschäftsprüfungsdelegation GPdel eine Inspektion durchführen mit Fokus auf der Rolle der Schweizer Behörden. Ergänzend zu den Untersuchungen auf nationaler Ebene erachtet die SP-Fraktion die Klärung ver-schiedener Aspekte im Kanton Zug als dringend notwendig. Es geht um eine Aufarbeitung, um Fehler in der Zukunft zu vermeiden sowie der behördlichen und rechtsststaatlichen Glaubwürdigkeit halber.
Die SP stellt deshalb dem Regierungsrat folgende Fragen:
- 1992 wurde der Crypto-Verkaufsingenieur Hans Bühler im Iran wegen Spionageverdacht verhaftet und gefoltert. Nach Bezahlung einer Kaution von 1 Million kehrte er 1993 in die Schweiz zurück. Im gleichen Jahr habe die CIA die Crypto AG vollständig übernommen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte aufgehorcht werden müssen. Inwiefern hat der Regierungsrat das Geschehen mitverfolgt? Welche Strategie verfolgte er, als der Crypto-Mitarbeiter inhaftiert war? Welche Handlungen wurden abgeklärt und unternommen?
- Ab wann hatte die Zuger Politik, die Zuger Verwaltung und die Regierung Kenntnis davon, dass fremde Nachrichtendienste Zugang zu Informationen hatten, die über manipulierte Chiffriergeräte der Crypto AG in Steinhausen übermittelt wurden? Was wurde mit diesem Wissen gemacht? Ab welchem Zeitpunkt hatte der Regierungsrat Kenntnis von den Vorkommnissen und welche Schlussfolgerungen zog er daraus?
- Welche anderen Akteurinnen und Akteure hatten wann welche Kenntnisse (z.B. Gemeindeexekutiven, Legislative, Direktionen, Ämter, Angehörige der Verwaltung) zur «Operation Rubicon»? Zu welchem Zeitpunkt? Falls nicht: wann hätte wohl grundsätzlich die Möglichkeit bestanden, auf Verdachtsmomente zu stossen?
- Marc Rich wurde wegen seines Rohstoffhandels und Steuerhinterziehung von den US-Behörden weltweit gesucht. Das führte auch zu einem Zwist zwischen der Schweiz und den USA geführt inklusive nachrichtendienstlicher Dimensionen. Gab es eine Verbindung zwischen diesem Zwist und der vollständigen Übernahme der Crypto AG durch die CIA?
- Die Zuger Crypto AG hat im Laufe der Zeit Namensänderungen und Fusionen vollzogen. Wie hat die Regierung ihre diesbezügliche rechtsstaatliche «Aufsichtsfunktion» wahrgenommen?
- Welche Handlungen im Zusammenhang mit der Crypto AG würde der Regierungsrat für strafrechtlich relevant halten?
- Welche Kontrollmechanismen hätten dem Regierungsrat resp. der Verwaltung grundsätzlich zur Verfügung gestanden, um Spionagevorwürfen nachzugehen? Welche wurden genutzt?
- Gab es Treffen zwischen dem Regierungsrat (und z.B. dem Gemeinderat von Steinhausen) und der Firmenleitung der Crypto AG oder sonst einen Austausch?
- Erwägt der Regierungsrat die Beantragung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) gemäss Art. 23 der Geschäftsordnung des Kantons Zug?
- Ist die Zuger Regierung grundsätzlich bereit, die Vorkommnisse rund um die Zuger Crypto AG vor dem Hintergrund der Zuger Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit zu untersuchen, um damit ähnliche Fehler in der Zukunft zu vermeiden?
- Welche anderen Massnahmen stünden dem Regierungsrat grundsätzlich zur Verfügung, um diesen Fall aufzuarbeiten? Welche gedenkt er konkret umzusetzen?
- Wie schätzt der Regierungsrat die Reputationsrisiken für den Wirtschaftsstandort Zug ein?
SP Kanton Zug
Fraktion Kantonsrat