Teilrevision Kantons- und Gemeindebürgerrechts-Gesetz. Vernehmlassungsantwort der SP Kanton Zug

31. Oktober 2022

Stellungnahme der SP Kanton Zug: Teilrevision des Gesetzes betreffend Erwerb und Verlust des Gemeinde- und des Kantonsbürgerrechts vom 3. September 1992 (Bürgerrechtsgesetz; BGS 121.3), 31. Oktober 2022

 

Die Direktion des Innern lädt die Interessierten und politischen Parteien zur Stellungnahme (Mitwirkung) über Anpassungen zum Bürgerrechtsgesetz ein. Wir danken Ihnen für die Vorarbeiten und unterbreiten Ihnen gerne folgende Anträge und Bemerkungen.

Grundsätzlich halten wir fest, dass wir die geplante Teilrevision ablehnen.

 

Allgemeines

  • Es ist uns ein generelles Anliegen, die breite Teilhabe am öffentlichen Leben sicherzustellen und so die Demokratie zu stärken. Schweizweit herrscht eine im europäischen Vergleich restriktive Einbürgerungspraxis vor, die das ihrige dazu beiträgt, die ständige ausländische Wohnbevölkerung verhältnismässig hoch zu halten. Dieser Zustand bleibt eine demokratiepolitische Herausforderung, weshalb wir Verschärfungen der Einbürgerungsbestimmungen generell ablehnend gegenüberstehen.
  • Wir verwehren uns gegen die hier beabsichtigte Verstärkung der grundsätzlich zu beanstandenden Koppelung der Erteilung der Staatsbürgerschaft an die Frage des Sozialhilfebezugs. Das verfassungsmässig garantierte Recht auf Sozialhilfe darf nicht durch Benachteiligungen im Einbürgerungsprozess weiter ausgehöhlt werden. Das gilt umso mehr, da auch sozialpolitische Gründen gegen eine Politik der Abhaltung vom Bezug der Sozialhilfe sprechen, die in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung leider weiterhin tief, ausschliessend und stigmatisierend ist.
  • Wir bedauern die Mängel der Vorlage. Insbesondere der für ein politisches Wirken wohl vorauszusetzende Handlungsbedarf bleibt vollständig unklar. Dass der Bund den Kantonen restriktivere Vorschriften erlaubt, kann an sich keine Verschärfung begründen. Für die konkret vorgelegte Fristverlängerung wird weitgehend argumentfrei plädiert. Der Bericht kann den Verdacht nicht ausräumen, wonach die Vorlage in erster Linie Ressentiments befriedigen soll.

 

Generelle Einwände gegen die vorgeschlagene Teilrevision: 

  1. Der Regierungsrat möchte dem Kriterium eines Ausbleibens des Bezugs von Sozialhilfe mehr Gewicht geben. Wir lehnen das ab. Die Grundlagen ihrer Erwägungen macht die Regierung u.E. nicht hinreichend klar und sie wären gegebenfalls genauer aufzuzeigen. Diese Erhebungen von Nichtbezugsquoten sowie die während der Corona-Pandemie sehr sichtbar gewordene Armut legen nahe, dass zahlreiche Menschen aus einer Reihe von Gründen vom Bezug der Sozialhilfe absehen. Die SP Kanton Zug zweifelt am Grundgedanken der bestehenden Rechtslage, wonach der Bezug oder Nicht-Bezug von Sozialhilfe ein geeignetes Integrationskriterium darstellt. Wie auch schon im Kantonsrat beim Überweisen aufgezeigt wurde, hat gerade auch die Corona-Pandemie vor Augen geführt, dass Menschen rasch auf Sozialhilfe angewiesen werden können.
    Das Sozialhilfesystem ist so aufgebaut, dass Kontrollen und Auskünfte umfassend wahrgenommen werden. Ist jemand vorübergehend aufgrund einer Notlage auf Unterstützung angewiesen, sagt dies kaum etwas über seine Persönlichkeit und Eignung zur Einbürgerung aus, da immer auch wesentliche Umstände mit zu berücksichtigen sind. Das sieht auch das bestehende Bundesrecht so, das den geltenden Grundsatz der wirtschaftlichen Selbsterhaltungsfähigkeit mit Ausnahmen versieht.
  2. Die beabsichtigte Verschärfung zielt auf einen kleinen und verletzlichen Kreis von Menschen, was wir nicht unterstützen können. Mit der Totalrevision des Bundesgesetzes über das Bürgerrecht wurde die maximale Kohärenz mit dem Ausländer- und Integrationsgesetz angestrebt. Ausdruck fand das Bestreben in der Aufwertung der Niederlassungsbewilligung zu einer Bedingung für die Erteilung der Einbürgerungsbewilligung seitens Bund. Um eine Niederlassungsbewilligung zu erhalten und aufrechtzuerhalten, muss allerdings der Bezug von Sozialhilfe weitgehend vermieden werden: So kann eine Niederlassungsbewilligung erst erteilt werden, wenn die Gesuchstellenden während der letzten fünf Jahren ununterbrochen im Besitz einer Aufenthaltsbewilligung waren. Diese kann allerdings beim Bezug von Sozialhilfe widerrufen werden. Ferner lässt sich die Niederlassungsbewilligung beim dauerhaften, erheblichen Bezug von Sozialhilfe widerrufen. Im Hinblick auf die schweizweit hohen und im Kanton Zug ausgesprochen hohen Lebenshaltungskosten ist darauf hinzuweisen, dass das Staatssekretariat für Migration SEM hierfür von einem Richtwert von 80’000 Franken und einer Bezugsdauer von zwei bis drei Jahren ausgeht. Hinzu kommt im Hinblick auf die Einbürgerung die geltende Erfordernis, drei Jahre vor dem Gesuch sowie im gesamten Verlauf des langen Verfahrens keine Sozialhilfe zu beziehen. Wen kann also die vorgelegte Änderung überhaupt treffen? Nur Menschen, die drei bis fünf Jahre vor der Stellung ihres Gesuchs auf Einbürgerung weniger als zwei Jahre lang Sozialhilfe im Umfang von unter 80’000 Franken bezogen haben. Damit zielt der Regierungsrat auf Menschen, die während einer kurzen Zeitspanne ihr Recht auf Sozialhilfe ausgeübt haben. Weshalb ein aufgrund eines vorübergehenden und nicht erheblichen Bezugs von Sozialhilfe geltend gemachter Zweifel an der Teilhabe am Wirtschaftsleben nicht innert drei Jahren ausgeräumt werden kann, ist mangels Argumente seitens des Regierungsrats nicht nachzuvollziehen. Konkret spricht der Regierungsrat von einem essenziellen Kriterium der fehlenden Sozialhilfeabhängigkeit (dies ungeachtet des Bundesrechts, welches den Bezug von Sozialhilfe gerade nicht zum absoluten Einbürgerungshindernis macht). Es ist uns nicht ersichtlich, weshalb insbesondere Menschen, die vor drei bis fünf Jahren weniger als 80’000 Franken Sozialhilfe bezogen haben, als sozialhilfeabhängig zu gelten haben.
  3. Die Ausführungen des Regierungsrats vermögen die durch die Teilrevision vorgenommene zentrale Änderung nicht zu begründen. Der Regierungsrat nennt die bislang geltende Frist von drei Jahren ohne nähere Begründung als «sehr kurz». Diese begründungslose Qualifikation gemahnt an Willkür. Anders als die Regierung können wir in der vorgelegten Parallelisierung mit der Wohnsitzvorschrift keinen systematischen Sinnzusammenhang erkennen.
  4. Der Regierungsrat möchte auch bei Personen ohne Sozialhilfebezug ihre Unabhängigkeit von der Sozialhilfe «noch besser» beurteilen. Es ist uns nicht ersichtlich, weshalb der Beurteilung der finanziellen Unabhängigkeit noch mehr Zeit eingeräumt werden soll. Angesichts der langen Dauer von Einbürgerungsverfahren ist das Argument des Regierungsrates nicht stichhaltig, wonach ein über drei Jahre erfolgter Nachweis der Unabhängigkeit von der Sozialhilfe zu wenig Aussagekraft besitze. Denn in der Praxis wird aufgrund der Verfahrensdauer eine Person zum Zeitpunkt ihrer Einbürgerung während weit mehr als der drei letzten Jahre keine Sozialhilfe bezogen haben. Den der Vorlage zugrundeliegenden Handlungsbedarf vermag der Bericht genauso wenig zu erhellen, wie zu begründen, weshalb die Regierung den zuständigen Behörden nicht zutraut, auf Grundlage der bisherigen Gesetzeslage die Situation von Einbürgerungswilligen verlässlich einzuordnen. Es enttäuscht uns, dass die Regierung nicht in der Lage ist, das wesentliche Motiv der Vorlage ansatzweise nachvollziehbar darzulegen.
  5. Im Kanton Zug sind die zuständigen Einbürgerungsbehörden die Bürgerräte. Sie prüfen die Gesuche detailliert. Liegen Anzeichen vor, dass die wirtschaftliche Eigenständigkeit nicht gegeben ist, werden Einbürgerungen zurückgestellt oder abgelehnt. Es ist nicht ersichtlich, weshalb nun die gesetzliche Wartefrist verschärft werden soll, zumal die Praxis der Bürgerräte nahelegt, dass die Prognose über die wirtschaftliche Selbstständigkeit entscheidender ist als das Feststellen eines in der Vergangenheit erfolgten Bezugs von Sozialhilfe.
  6. Die Vorlage erweckt den Eindruck, zumindest sekundär das Einsparen von Kosten bei der Sozialhilfe zu beabsichtigen. Dazu sei festgehalten, dass einbürgerungsrechtliche Wartefristen nicht geeignet sind, Kosten zu sparen. Wird eine Person aus Gründen der fehlenden wirtschaftlichen Eigenständigkeit nicht eingebürgert, bleibt für einen allfälligen Sozialhilfebezug weiterhin die Einwohnergemeinde zuständig. Auch eine Verlängerung der Minimalfrist ändert am grundsätzlichen Anspruch auf Sozialhilfe nichts.
  7. Angesichts der aufgeführten Einwände erstaunt es nicht, dass neben Zug weitere 16 Kantone eine dreijährige Frist kennen. Die SP Kanton Zug würde es sehr bedauern, wenn Zug als fortschrittlicher, weltoffener und wirtschaftsliberaler Kanton aus dieser Reihe ausscheren würde und sich der Minderheit der restriktiven Kantone anschliessen würde. Dies wäre dem Image unseres Kantons sehr abträglich.