Wenn sich Richter hinter Formellem verstecken

14. November 2018

Zwei Regierungsräte erwirkten vor anderthalb Jahren eine superprovisorische Verfügung gegen ein harmloses Plakat. Obwohl wir uns im Recht wähnten, leisteten wir der Verfügung Folge. Nach der Abstimmung entschied der Einzelrichter, die Beschwerde der beiden Regierungsräte abzulehnen, brummte uns aber die ganzen Verfahrenskosten und eine Parteientschädigung auf. Dies auf dem Hintergrund, dass die Plakate nach seiner Einschätzung persönlichkeitsverletzend seien.

Sowohl das Obergericht wie auch das Bundesgericht traten auf unsere Beschwerde nicht ein, weil wir ja eigentlich gar nicht verurteilt wurden. Wenn wir die Frage, ob das Plakat persönlichkeitsverletzend ist oder nicht, geklärt haben möchten, müssten wir einen eigenen Prozess zu dieser Frage einleiten. Juristisch ist das offenbar möglich, weil das Obergericht und vier von fünf Bundesrichtern fanden, dass ein Teil des Urteilsspruchs des Einzelrichters negiert werden kann, obwohl damit die Verteilung der Kosten begründet wird.

Die betroffenen Regierungsräte liessen verlauten, sie nähmen das Urteil „mit Genugtuung“ entgegen. Sprich: zwei Anwälte freuen sich darüber, dass zwei linke Jungparteien und drei linke Jungpolitiker*innen ihnen fast CHF 17’000 bezahlen müssen, obwohl völlig unklar ist, ob sie die ihnen vorgeworfene Persönlichkeitsverletzung begangen haben.

Von fünf Bundesrichtern war vieren die politische Dimension dieses Prozesses schlichtweg egal. In Zukunft kann man unter Androhung einer hohen Busse eine superprovisorische Verfügung gegen unliebsame Kampagnen erwirken. Wenn man lange genug wartet, muss niemand mehr über die Sache entscheiden, weil sie gegenstandslos geworden ist. Dies öffnet Tür und Tor für die Zensur unliebsamer Kampagnen.

Es war für mich sehr ernüchternd, den Bundesrichtern zuzuhören, wie sie sich hinter Formellem verstecken und sich weigerten, einen inhaltlichen Entscheid zu fällen.

Kein Gericht hat entschieden, ob wir die „Persönlichkeit“ der Herren Regierungsräte mit unserer Plakatkampagne verletzt haben. Aber dafür zahlen müssen wir trotzdem.

Anna Spescha
Gewählte SP-Kantonsrätin, Co-Präsidentin JUSO Zug