Vergewaltigung gerecht definiert

von Barbara Gysel, 25. September 2018

Der Nationalrat hat kürzlich einen wichtigen Entscheid für die Gleichstellung getroffen, auch wenn es einen traurigen Bereich betrifft. Laut dem bisherigen Strafrecht konnten nur Frauen Opfer einer Vergewaltigung im Sinn des Gesetzes werden. Anders als verschiedene andere Länder hat die Schweiz noch eine veraltete Definition von Vergewaltigung gemäss der Vorstellung: ein Mann vergewaltigt mit seinem Geschlechtsorgan eine Frau vaginal. Andere Vergewaltigungsformen gelten bisher als sexuelle Nötigung ohne Mindeststrafe. Männer konnten deshalb bisher gar nicht Opfer einer Vergewaltigung im Rechtssinn werden. Dank der Motion von SP-Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle und einer Standesinitiative aus dem Kanton Genf wollen Bundesrat und Nationalrat das nun endlich ändern. Neu soll auch eine Person, die eine andere Person zu Oralsex zwingt oder diese gegen ihren Willen anal penetriert, der Vergewaltigung verurteilt werden können. Und zwar unabhängig vom Geschlecht des Opfers oder auch des Täters oder der Täterin.

Diese Änderung des Strafrechts ist auch eine Folge der Ratifizierung der Istanbul-Konvention des Europarats durch die Schweiz. Im April 2018 ist die Konvention bei uns in Kraft getreten. Dadurch ist die Schweiz zu umfassenden Massnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt und für die Gleichstellung der Geschlechter verpflichtet. Die Istanbul-Konvention fordert in Artikel 36 die Vertragsparteien auf, Massnahmen gegen „nicht einverständliches, sexuell bestimmtes vaginales, anales oder orales Eindringen in den Körper einer anderen Person mit einem Körperteil oder Gegenstand“ zu erlassen. Gerade jetzt, wo viel über sexuelle Übergriffe und Gewalt gesprochen wird, ist es wichtig, vom Rechtsstaat her klare Zeichen zu setzen. Hoffen wir, dass der Ständerat nachzieht und auch unsere Zuger Ständevertreter sich für diese Änderung des Strafrechts und für mehr Opferschutz aussprechen. Es wäre auch ein positives Beispiel, dass Gleichstellungspolitik mehr Geschlechtergerechtigkeit und Schutz der sexuellen Integrität bringt. Für alle Geschlechter.

Barbara Gysel, Regierungsratskandidatin und SP-Kantonsrätin, Zug

Barbara Gysel

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