Rede zum 1. Mai von Anna Spescha für das Zuger Feministische Streikkollektiv auf dem Landsgemeindeplatz in Zug
Liebe Genossinnen und Genossen,
liebe feministische Menschen, liebe Anwesende
Wir sind heute, am Tag der Arbeit, hier, um für faire Arbeitsbedingungen zu kämpfen, für mehr bezahlbaren Wohnraum, gegen Sparpakete, für die Völker- und Menschenrechte, gegen den Klimawandel, für grüne Energien. So habe ich meine 1. Mai Rede vor acht Jahren begonnen, und der Satz ist immer noch aktuell, ausser den Zuger Sparpaketen – auch wenn Zug nach wie vor lieber Geld für Strassen als für Soziales ausgibt. Heute bin ich aber mit einer anderen Botschaft und einem anderen Hintergrund hier. Heute rede ich für das Zuger Feministische Streikkollektiv. Vor zwei Monaten beschloss die nationale Assise des feministischen Streiks einen Aufruf zu einem feministischen Streik in der ganzen Schweiz am 14. Juni 2023! Ich erzähle euch nun aus dem Aufruf weshalb wir am 14. Juni erneut streiken:
Am 14. Juni 2019 forderten über eine halbe Million Menschen am feministischen Streiktag ihre Rechte ein. Es war die grösste soziale Mobilisierung seit dem Landesstreik 1918. Die Aufbruchstimmung in eine gleichberechtigtere, feministischere Welt war überall spürbar. Einiges kam ins Rollen. Anderes bleibt blockiert, oder wurde sogar schlimmer. Die AHV-21 ist nur eines der vielen Beispiele. Darum rufen wir am 14. Juni 2023 erneut zu einem grossen feministischen Streik auf. Wir streiken bei der Arbeit, Zuhause, bei der Ausbildung, beim Konsum und im öffentlichen Raum. Schliesst euch den feministischen Bewegungen an und mobilisiert eure Kolleg*innen, Freund*innen und Familien-angehörigen für den feministischen Streik.
Weltweit sind FLINTAQ (Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nicht-binäre, trans, agender und queere Personen) die ersten Opfer autoritärer Regime, von Kriegen und Umweltzerstörung. Sie stehen auch oft an der Spitze von Widerstandsbewegungen. Wir sind solidarisch mit all diesen Kämpfen und teilen die Dringlichkeit, dem unterdrückerischen Patriarchat in all seinen Formen ein Ende zu setzen.
Jin, Jiyan, Azadì. Frau. Leben. Freiheit.
Im Jahr 2023 fordern wir:
- Allgemeine Verkürzung der bezahlten Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich ohne Intensivierung der Arbeit, bessere Arbeitsbedingungen, einschliesslich eines Mindestlohns und Lohnerhöhungen in Branchen, in denen überwiegend Frauen beschäftigt sind.
- Sofortige Stärkung der AHV und Abschaffung des Drei-Säulen-Systems in der Altersvorsorge zugunsten einer einzigen Säule.
- Gesamtschweizerisch systematische Massnahmen zur Bekämpfung geschlechtsspezifischer, sexualisierter und häuslicher Gewalt mit einem intersektionalen Ansatz.
- Elternzeit für jede Erziehungsperson für mindestens ein Jahr pro Person und Kind.
- Abschaffung des privaten Krankenversicherungssystems und vollständige Übernahme der Kosten von reproduktiver und sexueller Gesundheit.
- Nationaler Plan und gesamtschweizerisch systematische Massnahmen zur Bekämpfung von rassistischer, fremdenfeindlicher, queerfeindlicher, behindertenfeindlicher Diskriminierung oder von Bodyshaming.
- Feministisches Asyl und Aufenthaltsbewilligung: Asyl, Zugang und maximaler Schutz für FLINTAQ, denen aufgrund der Geschlechtsidentität sowie ihrer sexuellen Orientierung und/oder ihres feministischen Kampfes Gewalt angetan wird und fliehen müssen.
- Nationaler Aktionsplan und Massnahmen für Klima und Umwelt.
- Verankerung eines intersektionalen Feminismus in Bildung.
- Recht auf kostenlosen Schwangerschaftsabbruch in der Verfassung für alle unabhängig vom Aufenthaltsstatus oder Geschlecht.
Diese Forderungen der nationalen Assise sollen die wichtigsten feministischen Anliegen abdecken. In Zug werden wir diese um 15:24 auf dem Oberen Postplatz vorlesen. Danach werden wir dort gemeinsam Schilder basteln und uns um halb sechs für die Demo besammeln. Anschliessend an die Demo (ab ca. sieben Uhr) picknicken wir auf dem Arenaplatz, bitte nehmt euer eigenes Picknick und eine Picknickdecke mit. Wir freuen uns auf tolle Reden, Picknick und Tanz!
Am 14. Juni streiken wir für die aufgezählten Anliegen, und wir streiken aus persönlichen Gründen. Mir ist eines besonders wichtig: dass wir uns nicht teilen lassen, sei es zwischen Klimastreik und Frauenstreik, oder zwischen verschiedenen feministischen Strömungen. Unser aller Kampf ist wichtig: für Gleichstellung, für Klimaschutz, für Lohngerechtigkeit, für die Rechte von TINA (also trans, inter, non-binäre und agender Personen). Unser Kampf kann nur gemeinsam gewonnen werden. Deshalb müssen wir zusammenstehen und gemeinsam für unsere Werte und für unsere Anliegen kämpfen. Dafür sind wir heute hier, und dafür streiken wir am 14. Juni!
Venceremos!