‘Zug schweizweit auf den hinteren Rängen beim frei verfügbaren Einkommen’ Interpellation der SP-Fraktion

24. Mai 2011

Rosige Aussichten für Reiche – rostige Zukunft für Nicht-Reiche

Die finanzielle Attraktivität eines Wohnortes hängt von einer Reihe regional unterschiedlicher Einkommens- und Ausgabenfaktoren ab. Neben den auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene regulierten obligatorischen Abgaben sind zahlreiche weitere Budgetposten relevant, wie die heute, am 24. Mai 2011, publizierte Studie der Credit Suisse Economic Research aufzeigt. Die Studie „Wohnen und Pendeln. Wo lebt sich’s am günstigsten?“ über das verfügbare Einkommen in der Schweiz zeigt deutlich: Der Kanton Zug ist auf dem absteigenden Ast! Vom 5. Platz im Jahr 2006 war Zug auf den 18. Platz im Jahr 2008 gesunken. Statt einer Erholung ergibt sich gemäss Studie eine abermalige Verschlechterung: Neu ist Zug nur noch auf dem 19. Platz aller 26 Kantone punkto Günstigkeit der Lebenskosten. Schweizweit findet denn auch die höchste Abwanderung (Binnenwanderungssaldo) gemäss aktuellen Zahlen aus dem Kanton Zug statt.

Das Grenzeinkommen widerspiegelt gemäss Studie (S. 14) den Anteil an einem zusätzlich verdienten Franken, welcher dem Haushalt für seinen Konsum zur Verfügung steht. Punkto Grenzeinkommen ist der Kanton Zug schweizweit Spitzenreiter. Im Kanton Zug steht einer Person über 70% eines zusätzlichen Frankens Einkommen für den Konsum zur Verfügung. Eine Zugerin behält von einem zusätzlichen Lohnfranken gar 19 Rappen mehr als ein Neuenburger.
„Das Grenzeinkommen ist einzig von der Steuerbelastung eines Wohnstandorts abhängig und wird – anders als etwa die Wohnkosten oder die Krankenkassenprämien – in keiner Weise von Märkten beeinflusst. Der Wert kann somit von der Politik gesteuert werden.“ Betreffend verfügbarem Einkommen ist der Kanton Zug demnach in bester Position. Umso krasser fällt der Absturz punkto frei verfügbarem Einkommen auf inzwischen noch Platz 19 von 26 aus. Die Studie bescheinigt: „Dass geringe Steuern oder geringe Wohnkosten alleine noch keine hohe finanzielle Wohnattraktivität begründen, zeigt das Beispiel der Kantone Zug und Jura.“ Während der Kanton Jura, gemeinhin als steuerlich nicht-attraktiv bekannt, immerhin auf Platz 15 kommt punkto Günstigkeit, steht das Zuger Steuerparadies noch vier Plätze schlechter da. Der Grund ist gemäss Credit Suisse 2011 klar: „Während die Zuger Haushalte die mit Abstand geringsten obligatorischen Abgaben entrichten müssen, schlagen sich hohe Fixkosten in den Budgets nieder.“ Mit den Fixkosten sind vor allem die hohen Mieten und Bodenpreise gemeint.

Volkswirtschaftsdirektor Matthias Michel sagte kürzlich in einem Interview: „Wer die hohen Wohnkosten kritisiert, bedenkt zudem oft nicht, dass vieles günstiger ist als andernorts“ (NZZ 19.5.2011). Die neue CS-Studie widerlegt dies wissenschaftlich: Bei den frei verfügbaren Einkommen sieht es für die breite Zuger Bevölkerung schlechter aus als in 18 anderen Kantonen. Und das trotz tiefer Gesundheitskosten, kurzer Pendelwege etwa zu Zürich und legendär tiefer Steuern.

Die SP-Fraktion interessiert sich daher für folgende Fragen:

  1. Teilt die Regierung die Ergebnisse der CS-Studie grundsätzlich oder stehen ihr weitere wissenschaftliche Grundlagen zur Verfügung?
  2. Welche möglichen (weiteren) Gründe sieht die Regierung für das unterdurchschnittlich tiefe frei verfügbare Einkommen im Kanton Zug?
  3. Es scheint gemäss Studie eine fatale Spirale zu sein: Anlockung durch tiefe Steuern – hohe Nachfrage auf dem Wohnraummarkt – steigende Preise– mangelnder bezahlbarer Wohnraum – wenig im Portemonnaie. Teilt die Regierung im Wesentlichen diese Einschätzung?
  4. Ist die Regierung bereit, die wissenschaftlich nachgewiesenen Schattenseiten der Steuersenkungspolitik gründlich zu analysieren?
  5. Welche Massnahmen erachtet der Regierungsrat als möglich, um kurz-, mittel- und längerfristig das frei verfügbare Einkommen zu erhöhen? Welche Massnahmen strebt der Regierungsrat davon effektiv an?
  6. Teilt der Regierungsrat die Meinung, dass die öffentliche Hand sich für die Wohn- und Lebensattraktivität im Kanton besonders für den Mittelstand und für Personen mit tieferem Einkommen einsetzen muss?
  7. Erachtet der Regierungsrat längerfristig eine Immobilienkrise als ein mögliches Szenario für Zug?
  8. Welchen Handlungsspielraum sieht die Regierung, um der Abwanderung nicht-reicher Personen aus dem Kanton Zug präventiv zu begegnen?
  9. Abwanderung verursacht auch Transaktionskosten, die vor allem BezügerInnen von tiefen Einkommen sich oft nicht leisten können. Was unternimmt die Regierung, um besonders bei diesen Gruppen die frei verfügbaren Einkommen zu erhöhen?
  10. Der Kanton Zug weist neben dem Kanton Schwyz die höchste Einkommensungleichheit in der Schweiz auf (Gini-Koeffizient für Steuerjahr 2006 Kt. Zug: 0.49) Was gedenkt die Zuger Regierung gegen die wachsende Wohlstandsungleichheit zu unternehmen?

Unterlagen

 

Für weitere Informationen

Barbara Gysel
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