Massnahmen gegen Missstände in der Rohstoffbranche- Interpellation der SP-Fraktion

19. April 2013

Am 27. März 2013 hat der Bundesrat den Grundlagenbericht Rohstoffe verabschiedet, der unter der Leitung von drei Departementen (EDA, EFD, WFB) erstellt worden ist. Damit zeigt sich ein Paradigmenwechsel in der Haltung der offiziellen Schweiz: Auf internationaler Ebene – USA, EU – entstehen neue Massnahmen. Diese internationale Dimension erwähnte die Regierung am 31. Mai 2012 bereits in ihrer Beantwortung auf die Interpellation Vorlage Nr. 2146.1. Durch die aktuelle, neue Ausgangslage wächst auch der Druck auf die Schweiz und den Kanton Zug.

Laut Bericht besteht der Rohstoffsektor in der Schweiz aus gut 500 Unternehmen mit etwas mehr über 10’000 Beschäftigten. Zum Bruttoinlandprodukt der Schweiz steuern diese Firmen rund 3.5 Prozent bei. Das übersteige die Bedeutung der Tourismusbranche, gab Bundesrat Johann-Schneider Ammann (FDP) bei der Präsentation des Berichts bekannt. Der Standort Schweiz ist weltweit einer der wichtigsten Rohstoffhandelsplätze. Gemäss einer im Grundlagenbericht erwähnten Branchenstudie sind Rohstoffunternehmen in der Schweiz vorrangig in drei Regionen angesiedelt: In Zug, am Genfersee und in Lugano. Durch die Fusion von Glencore und Xstrata wird im Kanton Zug zudem ein weltweit bedeutendes Rohstoffunternehmen entstehen. Das rasante Wachstum des Rohstoffsektors bringt allerdings diverse Problemfelder mit sich. Der Bericht des Bundesrates verweist auf mehrere Missstände in der Rohstoffbranche, die es anzugehen gilt:

–      Menschenrechtsverletzungen: Kleinstminen, von denen auch Rohstoffhändler aus der Schweiz ihre Waren beziehen, sind in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen (z.B. Kinderarbeit, Menschenhandel) besonders exponiert.

–      Organisierte Kriminalität: Es besteht das Risiko, dass Gold aus illegalen Quellen (der illegale Goldabbau finanziert teilweise bewaffnete Gruppen oder organisierte Kriminalität) auch in die Schweiz eingeführt wird.

–      Korruption: Da hohe Summen und schwache Rechtsstaaten involviert sind, ist der Rohstoffsektor einem grossen Korruptionsrisiko ausgesetzt.

–      Umweltschädigung: Bei der Gewinnung von nicht erneuerbaren Rohstoffen wie Metallen oder fossilen Energieträgern sind die Umweltauswirkungen (z.B. Erosion, Biodiversitätsverlust) besonders gross.

–      Steuerumgehung: Dank Steuertricks bleiben Konzerne im Förderland steuerfrei. Der hohe Gewinn fällt in der Schweiz an und wird hier mit einem tiefen Steuersatz besteuert.

Der vom Bundesrat verabschiedete Grundlagenbericht Rohstoffe listet verschiedene Handlungsempfehlungen auf, die teilweise auch die Kantone betreffen. Wir stellen deshalb der Regierung folgende Fragen:

  1. Teilt der Regierungsrat die Risikoeinschätzung des Bundesrats?
  2. Glencore hat in den letzten beiden Jahren auf Bundesebene keine Gewinnsteuer bezahlt. Gilt dies auch auf kantonaler Ebene? Falls ja, wie kam dies zustande? Wie erklärt der Regierungsrat, dass ein Konzern dieser Grösse, dem es wirtschaftlich offenbar blendend geht, keine Steuern bezahlt? Gibt es im Kanton Zug noch andere Rohstoffhandelsfirmen, die keine Steuern bezahlen?
  3. Stützt sich die Besteuerung von Rohstoffunternehmen im Kanton Zug auf allgemeine Regelungen (z.B. gemischte Gesellschaften) oder gelangen Spezialvereinbarungen zum Einsatz? Wie hoch ist die Steuerleistung des Rohstoffhandels im Kanton Zug? Welche Abgaben leisten die Firmen? Welche Abgaben leistet das im Kanton Zug wohnhafte Personal dieser Firmen?
  4. Wie viele Steuereinnahmen von Rohstoffhandelsfirmen mit Sitz im Kanton Zug gehen dem Kanton und den Gemeinden wegen der Unternehmenssteuerreform II verloren?
  5. Der Bericht des Bundesrates zeigt, „dass über die Jahre hinweg die Firmenzahl (von Transithandelsunternehmen) in den Kantonen Waadt und Zürich sowie in den anderen Kantonen über die Jahre relativ konstant blieb, während die Anzahl der Unternehmen in den Kantonen Genf und Zug stark zunahm“. Ist diese Entwicklung im Sinn der Regierung? Erachtet es der Regierungsrat als Teil der Strategie zur Förderung des Rohstoffhandels im Kanton Zug, dass das Institut für Finanzdienstleistungen eine entsprechende Weiterbildung im Rohstoffbereich anbietet? Wie gross ist die volkswirtschaftliche Bedeutung des Rohstoffhandels für den Kanton Zug? Welcher Umsatz wird am Standort Zug generiert? Wie viele Personen werden am Standort Zug beschäftigt?
  6. Die effektive Steuerbelastung einer einzelnen Arbeitskraft ist mitentscheidend für die Standortwahl von Unternehmen, da diese für internationale Unterschiede in der Lohnbesteuerung kompensieren müssen. Gemäss dem Grundlagenbericht Rohstoffe ist die Schweiz in diesem Bereich attraktiver als die USA, die Niederlande und Grossbritannien. Die effektive Durchschnittssteuerbelastung (EATR) für hoch qualifizierte Arbeitskräfte liegt jedoch in Singapur und Hong Kong deutlich unter dem Schweizer Durchschnitt. Zug weist mit 23,7% den tiefsten Wert unter den 17 erfassten Kantonen auf, Basel-Land mit 37,4% den höchsten. Genf hat eine EATR von 36,4%, das Tessin von 34,4%. Welche Rangierung strebt die Regierung mittel- und langfristig an?
  7. Dem Bericht Rohstoffe ist zu entnehmen, dass der Bundesrat im Juli 2012 nach Konsultationen mit den zuständigen parlamentarischen Kommissionen und den Kantonen ein Mandat für einen Dialog mit der EU über Unternehmenssteuerregimes verabschiedet hat: „Das Ziel ist eine Lösung zu finden, welche die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmensstandortes festigt, den Haushalten von Bund und Kantonen Rechnung trägt sowie die internationale Akzeptanz erhöht. Die Verhandlungen mit der EU finden unter der Leitung des EFD gemeinsam mit dem EDA und dem WBF sowie unter Einbezug der Kantone statt. (…) Der Dialog mit der EU steht in einem engen Zusammenhang mit der laufenden Unternehmenssteuerreform III.“ Wie weit sind diese Verhandlungen und Reformarbeiten fortgeschritten?
  8. Gemäss dem Grundlagenbericht Rohstoffe ist es das Ziel, die bedeutende Stellung der Schweiz als wettbewerbsfähigen, transparenten und sozial verantwortlichen Handelsplatz zu wahren. Was unternimmt der Kanton Zug, damit die fragwürdigen Auswirkungen des Steuerwettbewerbes nicht auf Kosten des Finanzhaushaltes, der internationalen Akzeptanz und der Wahrung von Menschenrechtsstandards gewährleistet wird und sowohl sozial wie ökologisch verantwortbar bleibt bzw. wird?
  9. Laut Empfehlung 11 des Grundlagenberichts Rohstoffe soll eine Arbeitsgruppe „mit Vertretern der betroffenen Akteure (namentlich der Kantone, sowie der Unternehmen und der NGOs) Vorschläge für Standards (inklusive Umsetzungsmechanismen) im Bereich Corporate Social Responsibility für den Rohstoffhandel erarbeiten. Auf der Basis dieser Vorschläge soll die Eingabe von Initiativen und internationalen Richtlinien in den geeigneten internationalen Gremien geprüft werden, welche namentlich auch den ökologischen Auswirkungen Rechnung tragen.“ Wie weit sind diese Arbeiten fortgeschritten und welche Rolle nehmen dabei die Zuger VertreterInnen ein?
  10. Gemäss Empfehlung 16 des Grundlagenberichts Rohstoffe sollen „die Kontakte mit den Kantonen sowie mit der Branche (Unternehmen und Verbände) und den NGOs (…) durch die jeweils zuständigen Departemente weitergeführt und vertieft werden mit dem Ziel, Chancen und Risiken zu erörtern und gemeinsam Lösungsansätze zu diskutieren.“ Ist der Kanton diesbezüglich in Kontakt mit den zuständigen Departementen? Welche Lösungsansätze wurden allenfalls bereits diskutiert?
  11. Wenn Glencore oder andere Rohstofffirmen im Kanton Zug eine – optimierte – Steuersumme bezahlt, dann profitieren die Förderländer nachweislich kaum davon. Gemäss Gutachten ausländischer Behörden [1] und NGO-Berichten werden einzelne Minen zudem der „massiven Steuerhinterziehung“ verdächtigt. Wie stellt sich die Regierung zu dieser Problematik einer internationalen Steuer-Ungerechtigkeit?
  12. „Global tätige Rohstoffkonzerne stehen – wie auch andere multinationale Unternehmen – mitunter in der Kritik, mit (der) Ausgestaltung ihrer Konzernstrukturen dazu beizutragen, dass rohstoffexportierende Länder (oft Entwicklungsländer) erheblich an Steuersubstrat verlieren. Zur Überprüfung der Verrechnungspreise hat die Schweiz keine spezifischen Bestimmungen erlassen, jedoch sind gemäss Kreisschreiben vom 19. März 2004 der Eidgenössischen Steuerverwaltung (ESTV) die Kantone dazu angehalten, die OECD-Verrechnungspreisleitlinien für multinationale Unternehmen und Steuerverwaltungen anzuwenden.“ So der Wortlaut des Berichts Rohstoffe. Wie stellt der Kanton sicher, dass dies in Zug in ausreichendem Masse geschieht? Renommierte Fachleute weisen darauf hin, dass sich das internationale Recht dahingehend entwickelt, dass künftig die Muttergesellschaft und deren Sitzstaat für Schäden der Konzerntöchter haften müssen. Was würde diese Entwicklung für den Kanton Zug bedeuten? Wie gedenkt die Regierung, diesen Risiken proaktiv und solidarisch zu begegnen, dies auch im Interesse von mehr internationaler Steuergerechtigkeit? Hat die Regierung vor, im Rahmen von Entwicklungszusammenarbeit zu mehr internationaler Gerechtigkeit beizutragen?
  13. Was gedenkt der Regierungsrat zu tun, damit Bund und Kantone beim Rohstoffhandel nicht das gleiche Desaster wie bei der Bankenpolitik erleben? Welche Interventionen gegenüber dem Bundesrat sind geplant? Welche Vorschläge für zusätzliche Massnahmen im mageren Vorschlagspaket des Bundesrats gedenkt die Regierung einzubringen?

 

Kontakt:

Eusebius Spescha, e.spescha@datazug.ch

[1] Siehe: „Schliesslich wird Mopani Copper Mines der massiven Steuerhinterziehung verdächtigt. Dieser Verdacht entstand aufgrund eines im Jahre 2010 fertiggestellten Gutachtens, das von den sambischen Steuerbehörden und dem Finanzamt in Auftrag gegeben worden war. Gemäss diesem Gutachten befördert Mopani Copper Mines Gewinne mit Hilfe von Derivatgeschäften ins Ausland, um die Steuerbilanz in Sambia zu minimieren.“ (Quelle: etwa: http://www.multiwatch.ch/de/p97000698.html)