Leserbrief im Badener Tagblatt online, 28. Mai 2024 von Urs Birchler, alt Regierungsrat SP Kanton Zug
Ständerat Matthias Michel schreibt in seinem Leserbrief vom 15. Mai, dass die SP-Mitglieder und alle Stimmenden auf das Rezept hören sollen, das ich in den 1990er-Jahren als Gesundheitsdirektor im Kanton Zug, und dann meine SP-Nachfolgerin Monika Hutter, umgesetzt haben: Die Konzentration von damals vier Spitälern mit 440 Betten auf die neue Spitalstruktur mit zwei Spitälern und 250 Betten.
Es stimmt, die Konzentration der Spitäler mit ihrem 24-Stunden-Betrieb ist ein Muss für die Ziele der Kosteneffizienz, der Behandlungsqualität und der Milderung des Fachkräftemangels. Ich freue mich, dass ich heute dafür gelobt werde; damals wurde ich angefeindet – glücklicherweise nicht von der Mehrheit der Zuger Bevölkerung.
Doch es ist zu kurz gedacht, diese Massnahme als Match entscheidender Faktor zur Bekämpfung des Kostenanstiegs zu bezeichnen. So erfolgte zum Beispiel der stärkste Anstieg in den vergangenen acht Jahren durch die Medikamentenkosten: Nämlich um mehr als 30 Prozent pro versicherte Person respektive die Arzneimittelkosten insgesamt um über 40 Prozent. Ebenfalls stark angestiegen sind die Kosten aller ambulanten Leistungen. Die stationären Kosten der Spitäler blieben pro behandelten Patienten stabil; was gewachsen ist, ist die Anzahl der behandelten Patienten.
Die Politik des Bundes und der 26 Kantone versucht seit 30 Jahren, die Gesundheitskosten zu stabilisieren. Das gelang nicht. Weshalb? Die Gründe des Kostenanstiegs sind vielfältig. Diese Faktoren können nicht mittels einer politischen Initiative gelöst werden.
Was heute gelöst werden muss, ist die sozialpolitische Situation, dass es Familien gibt, deren Haushaltsbudget zu stark durch die Krankenkassenprämien belastet wird. Das ist eine untragbare soziale Situation. Die einzelnen Haushalte können sich dagegen nicht wappnen. Sie müssen – richtigerweise – obligatorisch eine Krankenversicherung abschliessen. Und zwar pro Kopf für jede Person des Haushalts. Die Schweiz ist das einzige Land, das dieses Pro-Kopf-System kennt. Es ist für den gesellschaftlichen Zusammenhalt notwendig, dass kein Familienbudget mit über 10 Prozent durch die Krankenkassenprämien belastet wird.
Urs Birchler, alt Regierungsrat SP Kanton Zug, Einsiedeln