Interpellation der SP-Fraktion: Ohne Steuerpolitik kein „Wachstum mit Grenzen“

16. November 2012

Der Regierungsrat wird eingeladen, zu folgenden Fragen Stellung zu nehmen:

  1. Bestehen konkrete Absichten für die Festsetzung von Steueruntergrenzen im Bereich der kantonalen Steuern? Wenn ja, in welchem Ausmass bei:
    a. Unternehmensbesteuerung (juristische Personen)
    b. Einkommens- und Vermögensbesteuerung (natürliche Personen).
  2. Sind entsprechende Äusserungen des Zuger Finanzdirektors in Bezug auf die Unternehmenssteuern als Einsicht zu werten, wonach der Steuerwettbewerb Schaden anrichtet?
  3. Welche weiteren Vorschläge bringt die Zuger Regierung bzw. der Vizepräsident der Finanzdirektorenkonferenz für das Steuerabkommen der Schweiz mit der EU ein (Stichwort: Wegfall der Steuerprivilegien für Holding-, Domizil- und gemischte Gesellschaften)?
  4. Wie verhält sich die Zuger Regierung zur kürzlichen Aussage von Bundesrat Johann Schneider-Ammann, wonach hierzulande steueroptimierende Rohstofffirmen, die in den Ländern, in denen sie operieren „nicht nachhaltig wirtschaften und soziale Standards verletzten“ ein „Reputationsrisiko“ darstellen würden?
  5. Wie schätzt der Regierungsrat in diesem Zusammenhang finanziell den Verlust von „Goodwill“ im Kanton Zug ein?
  6. Wie beurteilt die Zuger Regierung den angekündigten Umzug von Coca-Cola Hellenic aus Griechenland nach Zug?
  7. Inwiefern ist der Regierung bekannt, dass französische Behörden ohne Erlaubnis auch im Kanton Zug nach Steuersündern suchen? (1)
  8. Ist die Zuger Regierung bereit, auf Grundlage der Legislaturziele des Regierungsrates eine spezifische, sozial, wirtschaftlich und ökologisch nachhaltige „slow-growth“-Strategie zu erarbeiten?

Erläuterungen:
„Wachstum mit Grenzen“ lautet das raumplanerische Massnahmenpaket der Zuger Regierung, zu dem sich die Bevölkerung bis zum 30. Oktober 2012 vernehmen konnte. Schon jetzt ist klar: Ohne Einbezug der Steuerpolitik bleibt es bei einer Schadensbegrenzung. Den direkten Zusammenhang zwischen der überbordenden Zuger Entwicklung und dem Steuerwettbewerb hat Regierungsrat Matthias Michel kürzlich im Magazin „Die Volkswirtschaft“ deutlich angesprochen: „Die Bevölkerung hat sich in dieser Zeit [gemeint sind die letzten 50 Jahre] verdoppelt; die Anzahl Arbeitsplätze und Unternehmen sind um ein Vielfaches gewachsen. Dieser wirtschaftliche Erfolg ist das Resultat einer konsequenten Entwicklungsstrategie. Den Grundstein dazu legte der Kanton Zug in den 1920er-Jahren mit dem Schritt zu einer attraktiven Steuerpolitik“ (2)
. Die offensichtlichen Nachteile, die der ausgeprägte Steuerwettbewerb heute für die Bevölkerungsmehrheit und die Zuger Landschaft bringt, lässt selbst bürgerliche Vertreter des Zuger Modells nachdenklich und kritisch werden: So bezeichnete der frühere Direktor der Zuger Kantonalbank Jost Grob die gegenwärtige Entwicklung als „nicht nachhaltig“ und die Rohstoffhändler im Kanton Zug als „ein Klumpenrisiko“. Alt-Regierungsrat Andreas Iten spricht zudem direkt an, wovor andere bürgerliche PolitikerInnen noch zurückschrecken: „Mit der Raumplanung alleine erreicht man gar nichts“. Denn: „Es liegt an der Steuerpolitik“ (3).

Auch unser Finanzdirektor Peter Hegglin äusserte sich in den letzten Monaten vorsichtig positiv zur Aufhebung des Bankgeheimnisses im Kampf gegen Steuerhinterziehung (2)#4″>4). Er kann sich eine Untergrenze für Unternehmenssteuern von 12 Prozent vorstellen. Mit diesem Mittel will man vor allem auf das Steuerabkommen mit der EU reagieren, dass vermutlich zu einem Wegfall der Steuerprivilegien für ausländische Unternehmen führen wird (5).

Der Handlungsbedarf ist offensichtlich: Die Land-, Haus- und Wohnungspreise im Kanton Zug sind rekordhoch. Grünflächen werden knapp. Gleichzeitig ist Zug beim verfügbaren Einkommen des Mittelstands laut Credit-Suisse-Forschungen zwischen 2006 und 2010 vom 5. auf den 19. Platz abgerutscht. Unser Kanton hat ein Mass an Steuerwettbewerb erreicht, wo viel Schaden entsteht. Die Zuger Regierung ist deshalb gefordert, nicht nur mit raumplanerischen Mitteln, sondern auch auf dem Gebiet der Steuerpolitik Massnahmen für eine nachhaltige, soziale, gesellschafts- und landschaftsverträgliche Wachstumspolitik vorzulegen. Aus den bisherigen Ankündigungen und Hinweise erschliesst sich keine kohärente Strategie, die zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen dringend notwendig wäre. Wenn Zug als einstiger Meister in Sachen Steuerwettbewerb nun zur Besinnung mahnt, so sollte dies nicht nur deshalb geschehen, weil man sich von Nehmerkantonen wie Luzern nicht unterbieten lassen will. Es liegt in unserer Verantwortung, dieses „race to the bottom“ auf solidarische Weise zu beenden. Das gilt nicht nur innerhalb der Schweiz, sondern auch im Verkehr mit dem Ausland: Wenn in der grössten Wirtschaftskrise Südeuropas seit Jahrzehnten die Firma Coca-Cola ihren europäischen Sitz aus Athen nach Zug verlegt, dann vergrössert dies das internationale „Reputationsrisiko“, vor dem auch Bundesrat Johann Schneider-Ammann mit Blick auf steueroptimierende (Rohstoff-)Firmen spricht (6). Es wäre auch interessant zu sehen, wie solche Verluste beziffert werden könnten.

Die Zuger Regierung soll deshalb darlegen, wie eine effektive „slow-and-sustainable-growth-Strategie“ aussehen könnte, welche die Standort-und Steuerpolitik einschliesst. Wie hat Peter Hegglin selber kürzlich gesagt: „Niemand will die Steuern endlos herunterschrauben. Die Steuereinnahmen müssen die Staatsausgaben decken. Wenn etwas übrig bleibt, kann man die Steuern anpassen. Sonst geht die Rechnung langfristig nicht auf.“(7)

Weitere Informationen:
Barbara Gysel: M 078 710 98 88 / barbara.gysel@sp-zug.ch

 

(1) „Als Tourist nach Steuern fahnden“, SonntagsZeitung, 11.11.2012.
(2) M. Michel, Kanton Zug: Umgang mit Wachstum im attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum, in: Die Volkswirtschaft, 9/2012, S. 51-54 Kantonsrat Zug Vorstoss
Zug, 16. November 2012
(3) M. Schönenberger, Im Dilemma, NZZ, 18.5.2011, S. 75.
(4) Interview mit P. Hegglin: „Was wir tun, entspricht den geltenden Gesetzen“, WOZ Nr. 11/2012 vom 15.3.2012; D. Schaff-ner, Zuger Finanzdirektor begrüsst Kampf gegen Steuerhinterzieher, Tages-Anzeiger vom 18.7.2012.
(5) F. Fellmann, „Die EU kann uns nicht gängeln“, NZZaS, 21.10.2012, S. 10
(6) T. Hirsekorn: Schneider-Ammann will „Ordnung im Stall“, 20-Minuten, 22.10.2012
(7) F. Fellmann, „Die EU kann uns nicht gängeln“, NZZaS, 21.10.2012, S. 10