Ein bisschen Seldwyla

9. Januar 2016

Zur Abstimmung vom 28. Februar über die Sanierung des Gotthard-Strassentunnel

Im Juni wird die NEAT nach über 15 Jahren Bauzeit und einer sagenhaften Investition von gegen 24 Milliarden Franken feierlich eröffnet. Noch bevor dieser „längste Tunnel der Welt“ überhaupt in Betrieb genommen wird, stimmen wir jedoch am 28. Februar darüber ab, ob die NEAT künftig durch einen zweiten Gotthard-Strassentunnel konkurriert werden soll. Schreiben wir Schweizerinnen und Schweizer damit eine Seldwyla-Novelle?

Aus Interesse nahm ich im Dezember an einer vom «Blick» organisierten Podiumsdiskussion im Casino Zug teil. Bundesrätin Doris Leuthard persönlich warb an dieser Veranstaltung für die 2. Gotthardröhre. Aus meiner Sicht kamen wenige Fakten auf den Tisch, die eine 2. Strassenröhre rechtfertigen würden. Vielmehr rückten die Befürworter – Verkehrsministerin Leuthard und der Urner FDP-Präsident Matthias Steinegger, dessen Familie seit Generationen an Bauten am Gotthard geschäftlich verbunden ist (Tages Anzeiger, 31.12.15) – den Sicherheitsaspekt gebetsmühlenartig in den Vordergrund. Dass die Sicherheit zunimmt, wenn man keinen Gegenverkehr im Tunnel hat, liegt auf der Hand. Es darf aber kaum bestritten werden, dass man die Sicherheit im Gotthard-Strassentunnel und – noch viel wichtiger –im gesamten Transitverkehr erhöht, wenn man den überwiegenden Teil des Güterverkehrs auf die Schiene verlegt.

Dass der Strassentunnel nach über 35 Betriebsjahren saniert werden muss, ist nachvollziehbar. Es ist finanzpolitisch jedoch unsinnig, drei Milliarden Franken mehr zu investieren, als mit der Verladelösung notwendig wäre. Dieses Geld würde gescheiter in Infrastrukturprojekte in der ganzen Schweiz fliessen, stehen doch täglich tausende Pendler im Stau oder in überfüllten Zügen. Noch gravierender finde ich, dass der Stau in der Schweiz – wobei die Zentralschweiz stark betroffen ist – mit einer 2. Röhre noch weiter zunehmen wird. Ich glaube nämlich nicht daran, dass wir zwei Röhren bauen, aber die zusätzlichen Kapazitäten nicht ausnutzen werden. Eine Aussage von Doris Leuthard in der Verkehrskommission im Januar 2012 bestätigt meine Befürchtung: “Man kann verfassungskonform nur eine 2. Röhre bauen, wenn man die alte Röhre behält und beide einspurig betreibt, und das ist ein bisschen Seldwyla. Wir bauen ja kaum zwei Tunnel und lassen je eine Spur leer. Das ist meines Erachtens scheinheilig. Das wäre nicht sinnvoll investiertes Geld.” Warum die Verkehrsministerin nun an vorderster Front für die 2. Röhre wirbt, ist mir schleierhaft.

In mehreren Volksabstimmungen haben die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zum Ausdruck gebracht, dass sie den Güterverkehr auf die Schiene verlagern wollen. Lastwagen sind nämlich nicht nur ein höheres Verkehrsrisiko, sie sorgen auch für mehr Strassenschäden und Luftverschmutzung, und beeinträchtigen somit die Lebensqualität.

Deshalb setze ich mich für jene Sanierungsvariante ein, die lange Zeit auch vom Bundesrat favorisiert wurde; nämlich der Verladelösung. Während der Hauptreisezeit im Sommer bleibt der Tunnel uneingeschränkt befahrbar. Im Winterhalbjahr werden die Autos auf der Schiene durch den Airolo-Göschenen-Tunnel und die Lastwagen durch die NEAT befördert. Das rechtfertigt nicht nur die enormen Investitionen in die NEAT und ist aus finanzpolitischer Perspektive sinnvoll. Es garantiert auch, dass die Kapazitäten am Gotthard-Strassentunnel nicht verdoppelt werden.

Ich empfehle Ihnen, werte Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, die angepeilte, langfristige Politik der Verlagerung des Güterverkehrs mitzutragen.

Zari Dzaferi, SP-Kantonsrat, Baar