Wenn es um Geld und Steuern geht, spielt die Identität keine Rolle mehr
Kinder haben mit Vielem einen unverkrampfteren Umgang als Erwachsene. Sie ahmen gerne Dinge nach, die sie irgendwo aufschnappen, im Fernsehen in einer Kindersendung oder im Unterricht von ihren Lehrpersonen. Spielerisch lernen sie so den Umgang mit der hochdeutschen Sprache, was später wichtig für sie sein wird beim Erlernen der Schriftsprache.
Die heutige Regelung an unseren Schulen sieht vor, dass die Lehrpersonen im Kindergarten ab und zu die Standardsprache einsetzen, um diesen spielerischen Umgang mit der hochdeutschen Sprache zu fördern. Natürlich hat auch die Mundart im Kindergarten ihre Berechtigung, mehrheitlich sprechen die Kinder im Kindergarten nach wie vor Mundart. Es liegt in der Freiheit und im Ermessen der Lehrpersonen, die Sprache vielfältig und je nach Situation einzusetzen.
Offenbar gefällt diese Freiheit im Umgang mit der deutschen Sprache nicht allen. Es muss ein enormer Missstand vorliegen, dass sich die SVP mit einer Initiative für eine gesetzliche Verankerung der Mundart im Schulgesetz stark macht, wo sie sich sonst doch gegen neue Gesetze und starre Regelungen einsetzt. Die Kinder sollen im Kindergarten und in ausgewählten Fächern in der Primarschule nur noch Mundart sprechen. Ob damit eine bessere Integration von nicht Deutsch sprechenden Kindern und eine Stärkung der schweizerischen Eigenart gefördert wird, ist zumindest fraglich. Klar dagegen ist, dass den Kindern im Kindergarten damit die Möglichkeit genommen wird, erste Erfahrungen mit einer für sie später wichtigen Sprachform zu sammeln.
Während Hochdeutsch im Kindergarten unsere Identität und unsere Gesellschaft ernsthaft bedrohen soll, habe ich bisher den Aufschrei dieser Partei beim regierungsrätlichen Vorschlag vermisst, für einkommensstarke und vermögende Ausländer in Zukunft für die Niederlassungsbewilligung keine Deutschkenntnisse mehr einzufordern. Wenn es um Geld und Steuern geht, spielt die Identität und die Einordnung in unsere Gesellschaft offenbar plötzlich keine Rolle mehr.
Beat Iten, SP Kantonsrat