Vernehmlassung – Anpassung kantonaler Richtplan 21/1, Stellungnahme der SP Kanton Zug
Allgemeines
Bei den jeweiligen Kapiteln findet sich ein kurzes Kapitel «Interessenabwägung». Dieser Begriff verwirrt. Unter diesen Abschnitten finden sich die jeweiligen Zusammenfassungen, auf jeden Fall aber keine Interessenabwägung. Bei allen drei Massnahmenpakten werden im Übrigen die jeweiligen Interessen an der Massnahme unterschiedlich detailliert aufgezählt. Sie stellen regelmässig unverbindliche Allgemeinplätze mit wenig Verbindlichkeit dar. Eine Interessenabwägung, wie sie das Bundesrecht verlangt, findet nicht statt. Nach 3 RPV wie sie Art. 3 der eidgenössischen Raumplanungsverordnung vorsieht, haben die Behörden a. die betroffenen Interessen zu ermitteln; b. diese Interessen zu beurteilen und dabei insbesondere die Vereinbarkeit mit der anzustrebenden räumlichen Entwicklung und die möglichen Auswirkungen zu berücksichtigen und c. diese Interessen auf Grund der Beurteilung im Entscheid möglichst umfassend zu berücksichtigen. Zudem haben sie die Interessenabwägung in der Begründung ihrer Beschlüsse darzustellen. Diese Mindestanforderungen des Bundesrechts kann die Vorlage nicht erfüllen.
S 2 Gebietsplanung «Äussere Lorzenallmend»
Es ist doch sehr erstaunlich, dass der Richtplan anzupassen ist, um einem Quartiergestaltungsplan der Korporation und der Stadt Zug eine Grundlage zu geben (vgl. Bericht S. 7). Dies entspricht nicht den vorhandenen Planungsinstrumenten (Richtplan – Nutzungsplan – Baubewilligung) und Zuständigkeiten. Der kantonale Richtplan gibt in Karte und Text darüber Aufschluss, wie sich das Kantonsgebiet räumlich entwickeln soll (§ 8 PBG). Er dient nicht in erster Linie der rechtlichen Absicherung privater (bzw. halbprivater) Interessen. Wenn diese private Planung – nachträglich – im Richtplan aufgenommen werden soll, muss das öffentliche Interesse an dieser Entwicklung aus kantonaler Sicht dargelegt werden. Das fehlt in der Vorlage und muss mit überzeugenden Argumenten nachgeliefert werden. Die Frage wird nicht geklärt, ob an diesem Ort die 2’000 bis 2’500 Bewohnerinnen und Bewohner sowie die 3’000 Beschäftigten aus gesamtkantonaler Sicht am richtigen Ort angegliedert werden sollen.
Es trifft durchaus zu, dass an der Überbauung einer Fläche in der Bauzone ein öffentliches Interesse besteht (Bericht S. 7). Es ist dem Bericht aber nicht zu entnehmen, inwiefern ein gesamtkantonales Interesse an der Realisierung der konkret vorgesehenen Planungsergebnisse bestehen sollte, sodass dies im Richtplan thematisiert werden soll.
In der «äusseren Lorenzallmend» sollen die beiden bestehenden Kantonsstrassen (Chamer- und Steinhauserstrasse) über die Chollerstrasse verbunden werden, welche durchgehend ausgebaut und siedlungsorientiert gestaltet wird (Bericht S. 7). Die Strasse wird überkommunale bzw. regionale Auswirkungen haben und allenfalls die Verkehrsströme neu definieren. Der Richtplan muss sich zu diesen Auswirkungen äussern. Denkbar wäre etwa, dass für die Bewohnerinnen und Bewohner gerade keine Durchgangsstrasse (Schleichweg) gebaut werden soll, sondern aus beiden Hauptstrassen Stichstrassen ins Quartier führen.
Die Ausführungen zu den Fruchtfolgeflächen sind nicht nachvollziehbar. Zwar zeigt der Bericht auf, dass in gewissen Fällen aufgrund des bundesrechtlichen Sachplans Kompensationen vorzunehmen sind. Dabei ist nicht nur die Quantität, sondern auch die Qualität der Fruchtfolgeflächen zu beachten. Die Fruchtfolgeflächen werden – gemäss Abb. 4 – zu einem grossen Teil in den Bereich der Zone für öffentliches Interesse für Erholung und Freihaltung verschoben. Dieses Vorgehen widerspricht dem Bundesrecht. Nach Art. 30 der Raumplanungsverordnung haben die Kantone dafür zu sorgen, dass die Fruchtfolgeflächen den Landwirtschaftszonen zugeteilt werden; sie zeigen in ihren Richtplänen die dazu erforderlichen Massnahmen.
Schliesslich soll die Gebietsplanung «Äussere Lorzenallmend» als Gesamtpaket (Zonenplanänderung, Bebauungspläne sowie das Bauprojekt Lorzepark) behandelt werden. Dies widerspricht dem planerischen Vorgehen in der Raumplanung, das von den drei Schritten (Richtplanung > Nutzungsplanung > Baubewilligung) ausgeht. Die drei Stufen sind voneinander abhängig und dürfen sich nicht widersprechen, wobei der Regelungsbereich im Richtplan weit ist, im Nutzungsplan aber nur im Rahmen der Richtplanvorgaben gemacht werden kann und die Baubewilligung zonenkonform sein muss. Die drei Stufen schaffen nicht nur eine inhaltliche Abhängigkeit, sondern unterscheiden sich auch in Bezug auf die Verbindlichkeit und die Anfechtbarkeit. Es ist nicht die Aufgabe des Richtplans die unterschiedlichen Verbindlichkeiten neu zu ordnen, soweit sie vom Gesetz anders vorgesehen sind. Dies muss im Richtplan klargestellt werden.
In der Begründung zur Richtplananpassung wird festgehalten, «eine Parkanlage liege im öffentlichen Interesse der Stadt Zug» (Bericht S. 10). Daraus ergibt sich aber noch kein Interesse des Kantons. Hier sind die Aussagen im Bericht zu ergänzen.
S 4 Verkehrsintensive Einrichtungen
Die Definition der verkehrsintensiven Einrichtungen ist zu eng. Zwar kann der Regelungsbedarf für Einkaufs- und Freizeitanlagen mit − mehr als 7’500 m2 Verkaufsfläche oder − mehr als 500 Parkplätzen oder − mehr als 3’000 Fahrten pro Tag (an mindestens hundert Tagen) durchaus als Massstab für planerische Spezialregelungen gelten. Doch fehlen hier weitere verkehrsintensive Flächen, die nicht mit dem Verkauf und der Freizeit zu tun haben. So verursachen beispielsweise Lagerräume (z.B. der V-Zug) oder Anlagen weiterer grosser Arbeitgeber im Kanton Zug intensiven Verkehr, der gesondert zu regeln ist.
Nach den Vorschlägen sollen verkehrsintensive Einrichtungen keinen Eintrag in der Richtplankarte finden, wenn sie in den genauer bezeichneten Ortszentren von Rotkreuz, Cham, Steinhausen, Unterägeri und Baar/Zug liegen (Abbildung 8). Der Hinweis auf den Perimeter erstaunt, sollen in den erwähnten Ortszentren kein Richtplaneintrag nötig sein, wenn eine verkehrsintensive Einrichtung in der Kernzone, im Verdichtungs- oder das Zentrumsgebiet mit einer sehr hohen Erschliessung erstellt werden soll. Kernzonen sind regelmässig eher den Schutzanliegen gewidmet und Verdichtungsgebiete sollen der Wohnungsvverdichtung dienen. Gerade hier muss ein Richtplaneintrag erfolgen, wenn in diesen Gebieten eine neue verkehrsintensive Einrichtung erstellt oder eine bestehende Einrichtung verändert werden soll; die raumplanerischen Konflikte sind auf Stufe Richtplan vorzubestimmen.
S 9 neuer Mittelschulstandort: Öffentliche Bauten und Anlagen
Bei der Standortevaluation sind Rotkreuz und Röhrliberg in etwa gleich beurteilt.
Es fällt auf, dass Erreichbarkeit in erster Linie anhand der Zugverbindungen ermittelt wird (Bericht S. 20, ÖV-Güteklassen Bericht S. 28). Es handelt sich beim vorliegenden Projekt jedoch um einen Mittelschulstandort im Kanton Zug. Die Erreichbarkeit hätte deshalb nach den Bedürfnissen der Schülerinnen und Schülern untersucht und nicht auf die Verbindung nach Zürich und Luzern abgestellt werden sollen. Auch die Nähe zur Hochschule (Bericht S. 25) oder die Erreichbarkeit für Personen ausserhalb des Kantons (Lehrkörper, Besuchende von Anlässen, Bericht S. 29) sind keine überzeugende Auswahlkriterien.
Bei der Evaluation wird dem Projekt Röhrliberg, weniger Chance im Abstimmungskampf eingeräumt, weil ein Projekt ja bereits abgelehnt wurde. Es wird aber nicht dargestellt, ob und inwiefern das heutige Projekt den damaligen Abstimmungsargumenten Rechnung trägt.
Dem Projekt Röhrliberg wird ein Prozessrisiko angelastet. Der Perimeter liegt in einer Umgebungszone des ISOS mit dem höchsten Schutzziel «a» und bildet damit einen Teil des schützenswerten Ortsbilds. Im Bericht findet sich dann die simple Feststellung, dass der betroffene Perimeter aus denkmalpflegerischer Sicht nicht zu den sensibelsten Bereichen gehört. Wo also ist dann das Prozessrisiko? (Bericht S. 27, 31) – Die Argumentation ist absolut nicht nachvollziehbar und eine konkrete Auseinandersetzung mit dem Schutzumfang findet nicht statt.
Der Bericht (S. 27f.) verlässt sich offenbar auf eine künftig einzuholende Meinung der eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) oder die Natur- und Heimatschutzkommission (ENHK). Die Aussagen dieser Kommissionen sind für die Beurteilung der ISOS-Würdigkeit des Gebiets von Bedeutung und hätten Teil der Evaluation sein müssen. Sie werden jedoch spätestens bei den Beratungen des Kantonsrats vorliegen müssen.
Ebenso ungenügend erscheinen die Abklärungen zu den Fruchtfolgeflächen. Gemäss Bericht (S. 31) besteht ein Risiko «in der Ungewissheit, wie der Bund die Frage nach der Standortgebundenheit beim Vorliegen eines valablen Alternativstandorts in der bereits bestehenden Bauzone beurteilen wird». Auch diese Ungewissheit hätte vor der Verabschiedung der Vorlage geklärt werden müssen.
Der Bericht geht ohne nähere Begründung davon aus, dass der Kanton das Land für die Errichtung der Mittelschule kaufen müsse. Alternative Möglichkeiten zur Sicherung des Standortes bestehen, werden aber bei der Evaluation überhaupt nicht angedacht.
Mobilitätskonzept
Der Hinweis im Bericht (S. 43), dass es die einzig richtige Lösung nicht geben, sondern die flächeneffizienteren Nutzungen situationsgerecht verteilt werden solle, ist ungenügend. Es wäre gerade Inhalt eines Konzepts oder des Richtplans, Lösungen aufzulisten bzw. anzusprechen und Ziele zu formulieren. Das fehlt völlig.
Antrag:
Der Bericht ist zu überarbeiten, in dem Sinn, dass der Kanton konkrete Massnahme vorschreiben und Rahmenbedingungen setzen muss, um die Mobilität zu steuern. Lediglich Hinweise auf Interessenunterstützung bei anderen Behörden genügen nicht.
Der Bericht zum Mobilitätskonzept zeigt, dass der Kanton seine Verantwortung nicht wahrnehmen will oder dass er zumindest keine Ideen hat, wie ein Mobilitätskonzept durch Richtplanvorgaben gesteuert werden könnte. Im Grundtenor kommt zum Ausdruck, dass die Privaten die Probleme lösen sollen resp. werden (Bericht S. 53 Ziff. 3). Staatliche Unterstützung oder finanzielle Anreize werden bereits abgelehnt (Bericht S. 43 f.).
Es werden im Bericht bestehende Projekte erwähnt oder Entwicklungen angesprochen (z.B. Digitalisierung, Elektroautos, Homeoffice), die sich möglicherweise stark, allenfalls schnell, durchaus aber auch nur vorübergehend auf die Nutzung der Verkehrswege auswirken können.
Antrag:
Der Bericht soll Anreizmassahmen für Elektrobezugsstellen enthalten, damit der Entwicklung Rechnung getragen werden kann.
Massnahmen werden aufgeführt (Bericht S. 40 ff.), die der Kanton – z.B. aus Kompetenzgründen – nicht beeinfluss kann (Benutzung der Sicherheitsstreifen auf Autobahnen, Bericht S. 52 f.) oder nicht beeinflussen will. Der Bericht spricht auch von Park- und Ride-Möglichkeiten bei den Autobahnanschlüssen, ohne dazu genaueres untersucht zu haben (Zweckmässigkeit). Auch der Hinweis auf ein Mobilitätsmanagement der Mitarbeitenden der Staatsverwaltung (Bericht S. 41), welcher sich an Beispielen aus der Zuger Wirtschaft (Roche, Porsche, V-Zug) orientiert, sieht etwas ratlos aus. Als «konkrete» Massnahme wird dann der «Information» das Wort geredet (Bericht S. 41 Ziff. 3 und 5). Es herrscht Ratlosigkeit und der Staat bzw. der Regierungsrat nimmt seine Führungsverantwortung (gouverner c’est prévoir) nicht wahr.
Gerade die Ausführungen über die Flächeneffiziente Mobilität (Bericht S. 42) zeigt die Worthülsen auf: Es wird analog zum politischen Willen zur Verdichten nach «Innen» verlangt, dass die Flächen der Strassen effizienter genutzt werden sollen. Die Verdichtung nach Innen betreffen aber nur baurechtliche Massnahmen (zusätzliche Wohnungen), über die Belegungsdichte der einzelnen Wohnungen wurde bei der Diskussion um das Raumplanungsgesetz nicht gesprochen. Welche Massnahmen für die vermehrte bzw. verdichtete Nutzung der Verkehrsinfrastruktur zu erlassen sind, kann dem Bericht nicht entnommen werden. Es wird einzig auf den Besetzungsgrad pro Auto hingewiesen (Bericht S. 42) und nicht einmal abgehandelt, ob man Autos mit zu wenig Insassen, gar nicht in gewisse Ortschaften des Kantons Zug einlassen soll.
An sich findet man einen konstruktiven Ansatz für die Nutzung der Verkehrsflächen in Ortszentren (Bericht S. 43 Ziff. 1.3). Als Alternative für Ortszentren ohne klassische Umfahrungsachsen ist der «Mischverkehr» im Zentrum zu prüfen. Im gleichen Satz wird dieser Ansatz aber wieder abgewürgt. Mischverkehr soll nur geprüft werden, «wenn absehbar ist, dass in Zukunft keine neue übergeordnete Umfahrung möglich ist». Der Regierungsrat muss sich hier klar äussern, ob solche Umfahrungen oder Stadttunnels noch sinnvoll oder möglich sind.
Antrag:
Im Bericht soll enthalten sein, dass der Kanton i.d.R. auf Umfahrungsstrassen und Stadttunnel verzichtet.
Die Temporeduktion ist eine Massnahme, um diesen Mischverkehr sicher zu machen, das bestätigt der Bericht in den Grundzügen (Bericht S. 43 Ziff. 1.3). Es ist aber nicht verständlich, dass diese Reduktionen nur in «den eng begrenzten Ortskernen anzupassen (seien)».
Antrag:
Im Bericht soll ergänzt werden, dass der Kanton in Ortszentren generelle Tempozonen 30 anstrebt.
Wir bitten Sie, unsere Anliegen bei der Überarbeitung der Vorlage zu berücksichtigen.
Freundliche Grüsse
Barbara Gysel, Präsidentin, Kantonsrätin
Alois Gössi, Fraktionschef, Kantonsrat