Bezahlkarten, Hexenprozesse. Notizen aus dem Kantonsrat, 20. & 21.02.2025

Zuger Notizen von Kantonsrat Alois Gössi. Bericht aus der Kantonsratssitzung vom 30. Januar 2025

Zuger Notizen von Kantonsrat Alois Gössi

Ist
es ein Missbrauch, wenn Personen aus dem Asylbereich von den ihnen zustehenden Geldern einen Teil davon «ersparen» und diese ersparten Gelder in ihre Heimatländer an die Verwandtschaft zurücksenden?
Eine Person in der Nothilfe erhält 9 Franken pro Tag und eine Person in der Asylsozialhilfe 470 Franken im Monat, was 15 Franken und 65 Rappen pro Tag entspricht. Ich finde dies auch nicht gut, aber von einem Missbrauch zu sprechen, käme mir nie in den Sinn. Für mich gilt hier die Eigenverantwortung: «erspart» sich hier eine Person einen Betrag, soll sie doch frei sein, was sie damit macht.
Sogar der SVP-Kantonsrat M. Riboni räumte ein, dass es sich im Bereich der Asylsozialhilfe um niedrige Beträge handle, die zurücküberwiesen werden. Um diesen «Scheinmissbrauch» einen Riegel zu schieben, erhalten die Personen aus dem Asylbereich inskünftig ihre Gelder mittels einer Bezahlkarte (einer sogenannten Debitkarte). Es war eine ideologisch gefärbte Debatte. Die FDP.die Liberalen sind im Asylbereich schon länger im Fahrwasser der SVP angelangt. Dies hat nun auch die Mitte Fraktion im Zuger Kantonsrat geschafft. Unsäglich fand ich auch, dass der Direktor des Innern A. Hostettler (formell natürlich der Gesamtregierungsrat) den Geltungsbereich für die Bezahlkarte ausgeweitet hat, zum Beispiel auch für Familien aus dem Asylbereich. Die SVP nahm dieses Geschenk «mit Handkuss» an. Für mich wird die Bedeutung dieser Bezahlkarte keinen Einfluss auf die Zahl der Asylbewerber, die in die Schweiz kommen, haben. Sie wird nicht kleiner oder grösser werden. Dies solange diese Personen keine wirtschaftlichen Perspektiven in ihren Heimatländern sehen. Und wie auch KR E. Haas erwähnte, ich, ich wüsste nicht, was ich machen würde, wenn ich an deren Stelle wäre: weiter in einem Land ohne irgendeine Perspektive leben oder flüchten?

Problemlos
bestätigt wurde die Wahl der aktienrechtlichen Revisionsstelle der Zuger Kantonalbank (ZKB) für die Amtsdauer 2026-2027. Der Regierungsrat führte hier aus: «PwC wurde nicht mehr zur Abgabe einer Offerte eingeladen, da auch aus Gründen der Good Governance ein Wechsel zur Revisionsstelle angestrebt wird, um die Unabhängigkeit der Revision zu stärken. Ein solcher Wechsel trägt dazu bei, mögliche Interessenkonflikte zu vermeiden und neue Perspektiven sowie frische Impulse in den Prüfprozess einzubringen». Tönt gut und sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Ganz anders vor vier Jahr. Da wagte ich, weil die PwC auch damals schon fast seit Jahrzehnten bei der ZKB die Revisionsstelle, im Kantonsrat die Empfehlung auszugebenen, die PwC nicht zu bestätigen. Dies wurde, zu meiner Überraschung, angenommen. Aber mit einem Rückkommensantrag wieder über den Haufen geworfen, es gehe nicht an, dass die ZKB keine Revisionsstelle hatte. Und vor zwei Jahren gab es mehr oder weniger das gleiche Debakel. Inzwischen ist hier der Finanzdirektion (oder natürlich der Regierungsrat) mit der diesjährigen Wahl lernfähig geworden.

Gar
nicht gern gesehen wurde es vom Ober- und Verwaltungsgericht, dass ein externer Experte vier zu prüfende Handlungsfelder (Bedarfs- und Ressourcenabklärung, Wahl und System der Ersatzrichter/innen, organisatorische Positionierung der Staatsanwaltschaft und Evaluation der Schaffung eines Handelsgerichts) ansehen und mögliche Handlungsoptionen aufzeigen soll. Die Gerichte argumentierten, dass sie an all diesen Themen schon dran sind oder dass es für sie nicht relevant sei. Und im weitesten Sinne geht es doch auch darum, dass diese Gerichte ihre eigenen Strategien/Absichten haben und sich überhaupt nicht gerne dreinreden lassen wollen. Für mich der entscheidende Punkt, dass ich diese Berichtsmotion erheblich erklärte ist, dass es in keiner Art und Weise schadet, auch die Aussenansicht einzubringen.

Das Spezielle
Der Mitte-Kantonsrat Patrick Iten vertrat den an einem Skiunfall leidenden SP-Kantonsrat Beat Iten als Stellvertreter des Kommissionspräsidenten Hochbau zum Objektkredit eines neuen Labor- und Verwaltungsgebäudes in Steinhausen: «Wie ich dem Votum von Beat Iten entnehme, darf ich noch die Haltung der SP-Fraktion zu diesem Geschäft bekanntgeben: sie schliesst sich der Hochbaukommission an». Und KR P.C. Brunner: «ich bedaure, dass KR Beat Iten nicht anwesend ist. vielleicht schaut er per Live-Stream zu».
SP-Kantonsrätin B. Gysel zu einer Interpellation betreffend die Themen Gesundheit, Sicherheit und Interesse der Sexarbeitereinnen und Sexarbeiter: «Wir danken der Regierung für den Versuch einer
Antwort». Und sie fasste die Antwort des Regierungsrates wie folgt zusammen: «Wir wissen, dass wir nichts wissen».
Und es gab wiederum einen unsäglichen Ordnungsantrag von O. Wandfluh, per sofort die Voten zur Bezahlkarte «abzuklemmen». Auch wenn es nicht gerade die «hochstehendeste Debatte» dazu bei uns im Kantonsrat war, bin ich strikt gegen solche Ordnungsanträge, für mich geht dies klar in Richtung Zensur.

Mein heutiges Abstimmungsverhalten:

  • Überweisungen
    • Motion betreffend Freihaltung der Korridore für eine Verkehrslösung für das Aegerital
      • Für eine Überweisung (Quorum für eine Nichtüberweisung mit 57:16 Stimmen
        nicht erreicht)
      • Zug+ flächendeckende Sicherstellung der Kinderbetreuung: Änderung des
        Gesetzes über die
    • Motion betreffend finanzielle Unterstützung des Kantons an Infrastrukturkosten der
      Gemeinden im Zusammenhang mit der schulergänzenden Betreuung (SEB)
      • Für eine Überweisung (Quorum für eine Nichtüberweisung mit nicht erreicht)
    • Motion der SP-Fraktion betreffend Änderungen im Nebenamtsgesetz
      • Sei dem Regierungsrat oder der ad-hoc Kommission Nebenamtsgesetz
        zuzuweisen
        • Für eine Zuweisung an die ad-hoc Kommission Nebenamtsgesetz (mit
          54:16 Stimmen für eine Zuweisung an die ad-hoc Kommission
          Nebenamtsgesetz)
  • Bestätigungswahl der aktienrechtlichen Revisionsstelle der Zuger Kantonalbank für die
    Amtsdauer 2026-2027
    • Vorgeschlagen KPMG (in geheimer Wahl mit 71:3 Stimmen bestätigt)
  • Motion der FDP-Fraktion betreffend gesetzliche Grundlage für einen Steuerrabatt im Kanton
    Zug
    • Für eine Nichterheblicherklärung (mit ca. 25:45 Stimmen Motion Teilerheblicherklärt)
  • Postulat von Brigitte Wenzin Widmer und Thomas Werner betreffend freie Fahrten auf dem
    Netz der Zugerland Verkehrsbetriebe (VB) für Schulklassen in Begleitung einer Lehrperson
    • Für eine Nichterheblicherklärung (mit 54:15 Stimmen Nichterheblich erklärt)
  • Motion von Tabea Estermann und Michael Felber betreffend Schaffung gesetzlicher Grundlagen für den Langsamverkehr
    • Für eine Erheblicherklärung (mit 25:43 Stimmen Nicht erheblich erklärt)
  • Motion von Michael Arnold, Tom Magnusson und Rainer Leemann betreffend Stopp der automatischen Steuererhöhung. Ausgleich der warmen Progression zur Stärkung des
    Mittelstandes
    • Für eine Nichterheblicherklärung (mit 53:17 Stimmen nicht erheblich erklärt)
  • Motion von Luzian Franzini, Klemens Iten, Fabienne Michel und Ronahi Yener betreffend Einreichung einer Standesinitiative zur gesicherten Teilnehme der Schweiz an Erasmus+
    • Für eine Erheblicherklärung (mit 22:47 Stimmen nicht erheblich erklärt)
  • Bericht-Motion betreffend Gerichtsanalyse und Anpassungsbedarf der Organisation der Zuger Justiz an zukünftige Herausforderungen
    • Für eine Teilerheblicherklärung (mit 52:21 Stimmen teilerheblich erklärt)
  • Motion betreffend Guthaben auf Bezahlkarten statt Bargeld für Asylsuchende und
    abgewiesene Asylbewerber
    • Ordnungsantrag auf Abbruch der Diskussionen
      • Nein (mit 52:21 Stimmen abgelehnt)
    • Nichterheblicherklärung (mit 21:54 Stimmen erheblich erklärt)
  • Postulat betreffend forcierten Ausbau der Bushaltestellen nach
    Behindertengleichstellungsgesetz
    • gegen ein Erledigt abschreiben (mit 42:18 Postulat als erledigt abgeschrieben)
  • Postulat betreffend Gedenkstätte für die Opfer von Hexenprozessen im Kanton Zug
    • Für eine Erheblicherklärung (mit 53:19 erheblich erklärt)
    • gegen ein Erledigt abschreiben (mit 44:28 Postulat als erledigt abgeschrieben)
  • Postulat betreffend Ersatzabgabe zur Eigenstromerzeugung
    • Gegen eine Erheblicherklärung (mit 56:11 Stimmen nicht erheblich erklärt)

 

Beitrag teilen:

Facebook
Email
WhatsApp
LinkedIn
Animation laden...Animation laden...Animation laden...

Newsfeed