Vernehmlassung zur Anpassung kantonaler Richtplan 18/1: Hauptkapitel Landschaft, Verkehr und Energie – Vernehmlassungsantwort der SP Kanton Zug
Die Baudirektion lädt die Interessierten und politischen Parteien zur Stellungnahme über Anpassungen verschiedener Kapitel des kantonalen Richtplans ein. Wir danken Ihnen für die Vorarbeiten und unterbreiten Ihnen gerne folgende Bemerkungen und Anträge:
- Anpassung einer Vielfalt von Themen
Die zur Anpassung vorgeschlagenen Bereiche stehen unseres Erachtens in keinem erkennbaren Zusammenhang und haben unter sich wenig Abhängigkeiten. Die Vorlage erscheint als wahllose Zusammenstellung überregionaler oder gar regionaler bzw. interkommunaler Projekte, die zum Teil zufällig gewählt wurden und vor allem nicht alle im heutigen Zeitpunkt zwingend geregelt werden müssen.
Richtplanung verstehen wir als politische Weichenstellung auf der Grundlage einer Gesamtsicht und nicht als Entscheide über einzelne konkrete Vorhaben oder als verkappte kantonale Nutzungsplanung. Diesem Anliegen vermag die Vorlage nicht zu genügen.
- Streichung Golfpark Zugersee (Baar)
Der Golfplatz war bei der Gesamtüberarbeitung des kantonalen Richtplans im Jahr 2004 in den Richtplan aufgenommen worden. Nachdem die Zürcher Gemeinden des Golfplatzgebietes sich gegen den Golfplatz ausgesprochen hatten, soll auf das Projekt verzichtet werden, weil es – nach Einschätzung der Baudirektion – in der vorgesehenen Form nicht realisierbar sei und aufgrund der Sensibilisierung der Bevölkerung für die Landschaft und Fruchtfolgeflächen kaum mehrheitsfähig sein dürfte (Bericht S. 9). Die politische Einschätzung wird leider mit keinen konkreten Erkenntnissen untermauert. Unklar ist in diesem Zusammenhang, ob die zur Stellungnahme eingeladenen Initianten mit der Einschätzung der Baudirektion einverstanden sind.
Wir können der Einschätzung der Baudirektion und der Streichung zustimmen. Wir sehen aber keine unmittelbare Dringlichkeit der Streichung, zumal sich durch die Streichung aus dem kantonalen Richtplan am ursprünglichen Zustand nichts ändert (Bericht S. 10). Wir hoffen gerne, dass die Baudirektion bei der politischen Einschätzung auch künftiger Projekte mit gleichen «landschaftschützerischen» Argumenten Antrag stellt, was bisher nicht immer, z.B. beim Kiesabbau, der Fall war.
- Verschiedene Strassenbauvorhaben
Im Gebiet Zug – Baar – Steinhausen wird über die Zufahrt zu einem geplanten Halbanschluss Steinhausen Süd diskutiert und im Ergebnis für den Ist-Zustand (ohne Verlängerung der General-Guisan-Strasse) geworben. Die Erschliessung des Industriegebietes Rotkreuz und Bösch ist zudem einer der bedeutenden Vorschläge für die Richtplananpassung. Den Unterlagen kann entnommen werden, dass eine zusätzliche Strasse (Bypass) zwischen der Blegistrasse und dem neuen Autobahn-Halbanschluss Rotkreuz-Süd erstellt werden muss, verschiedene Kreisel zu überdenken sind und dass die Ostumfahrung von Rotkreuz beibehalten werden soll, obwohl deren Realisierung nicht sicher oder zumindest in weiterer Zukunft erfolgen soll.
Den Antrag und die Überlegungen zum Verzicht auf die Verlängerung der General-Guisan-Strasse und der Querung der Lorzenebene können wir folgen und begrüssen den Verzicht grundsätzlich. Doch ist nicht klar, wie die Auswirkungen auf die bestehende Nordstrasse und Chamerstrasse eingeschätzt werden und mit welchen Massnahmen die künftige Verkehrsentwicklung auf diesen Strassen gesteuert werden soll, zumal ja jetzt auch noch eine Busspur erstellt werden soll (unten Ziff. 5).
In Rotkreuz soll das offensichtlich bestehende Verkehrschaos mit einem Bypass zwischen der Blegistrasse und einem neuen (vom Bund nicht zugesicherten) Autobahn-Halbanschluss (Bericht S. 32) geleitet werden. Der Bericht verweist auf unzählige Expertenberichte und Arbeitsgruppenergebnisse. Im Bericht selber findet sich viele Plandarstellungen, jedoch keine zusammenhängenden und schlüssigen Wertungen, ausser etwa, dass die Ostumfahrung, die ja nur als mögliche künftige Ergänzungsoption zum neuen – vom Bund nicht zugesicherten – Halbanschluss «zu einem späteren Zeitpunkt zur Entlastung des Rotkreuzer Dorfzentrums beitragen» kann, beizubehalten ist (Bericht S. 32). Warum diese Anpassung des Richtplans zwingend ist und welche Massnahme letztlich aus welchem Grund vorgeschlagen wird, lässt sich dem doch recht unstrukturierten Bericht kaum entnehmen. Ohne eine Verbesserung des Berichts kann diese Anpassung nicht beurteilt werden (dazu unten Ziff. 7).
- Zum Radverkehr
Es werden zwei Radstrecken thematisiert, die Radstrecke Nr. 49 zwischen dem Knoten Gulmmatt und der Kantonsgrenze bei Kappel a.A. sowie die Radstrecke zwischen Blickenstorf und Steinhausen.
Der Radweg entlang der Strasse Nr. 49 wird in einer Vorstudie favorisiert, soll aber deshalb nicht realisiert werden, weil die Grundeigentümer nicht einverstanden seien. Weil der Staat sich nicht durchsetzen will, soll auf eine Umsetzung des Richtplans verzichtet werden. Inwiefern die Argumente überholt sind, die ehemals zum Richtplaneintrag geführt haben, wird nicht thematisiert. Erfahrungsgemäss werden die Radfahrenden weiterhin die Hauptstrasse benutzen.
Die Strecke zwischen Blickenstorf und Steinhausen soll aus dem Richtplan gestrichen werden, weil sie gefährlich sei. Aus den Unterlagen ist nicht ersichtlich, inwiefern diese Gefährlichkeit seit dem erstmaligen Eintrag im Richtplan zugenommen hat. Die Erkenntnis, dass die Nutzung jetzt plötzlich gefährlich, hat in Arbeiten zu münden, wie diese Gefahr für die Velofahrenden vermindert oder beseitigt werden kann – sicher nicht zur Änderung des Richtplaneintrages.
Mit den beiden Änderungen des Radwegnetzes im Richtplan sollen somit Ideallösungen nicht realisiert werden, weil zum einen die GrundeigentümerInnen sich dagegen zur Wehr setzen könnten, oder weil die Strasse zum anderen gefährlich (geworden) ist. Dieses Vorgehen befremdet und darf für sich genommen nicht Grund für eine Richtplananpassung sein.
Auf die Anpassung des Richtplans zu den Radstrecken ist zu verzichten. Vielmehr ist die Aufgabe zu erteilen, die bestehenden Radwege im Sinne der Verkehrssicherheit auszubauen und auf direkte Wegstrecken zu achten.
- Hauptnetz «öffentlicher Verkehr»
Das Netz des öffentlichen Verkehrs soll vornehmlich entlang der Nordstrasse in Zug zur Versorgung des Verdichtungsgebietes zwischen Baar und Zug ergänzt werden. Der Vorschlag zur Anpassung des Richtplans ermögliche es, die Bushaltestellen zu realisieren, die in den Richtplänen der Gemeinde Baar und der Stadt Zug bereits vorgesehen sind (Bericht S. 42 f.).
Es fragt sich, was dieser Richtplaneintrag noch zusätzlich bewirken soll, wenn die betroffenen Gemeinden diese Entwicklung ja bereits planerisch erfasst haben. Die Aufgabe ist also kommunal bestens gelöst ist und eine kantonale Aufsicht im Rahmen der Richtplanung ist nicht nötig. Diese steht dem Kanton ja bereits im Rahmen der erforderlichen Genehmigung der kommunalen Nutzungsplanung genügend zur Verfügung.
Auf die Nachführung des kantonalen Richtplans in Bezug auf das Hauptnetz «öffentlicher Verkehr» ist deshalb zu verzichten.
- Raumfreiheit für die Erdverlegung
Der Kanton will mit dem Richtplan dem Raum für eine spätere Verlegung der Hochspannungsleitung in den Boden sicherstellen. Hier greift der Kanton in die Kompetenz der Bundesbehörde ein. Der Bund hat das Trasse der Hochspannungsleitungen in einem Sachplan nach Art. 13 RPG formell festzulegen; diese Kompetenzaufteilung ist im Bericht denn auch richtig festgehalten (Bericht S. 64 f.).
Das Vorgehen der Baudirektion erstaunt. Im Richtplan soll ein Freiraum festgelegt werden, dessen Bedarf und vor allem des Verlaufs noch gar nicht feststehen. Zwar war der Bund bei der Erarbeitung der Grundlagenstudie in der Begleitgruppe vertreten. «Im Rahmen der Vorvernehmlassung äusserte er sich (aber) nicht direkt zu den Varianten, da er einen Varianten-, resp. Technologie-Entscheid (ob Freileitung oder Verkabelung) erst im Rahmen eines konkreten Sachplanverfahrens durchführen wird. Das Sachplanverfahren wird erst dann eingeleitet, wenn die Leitungseigentümerin Swissgrid einen Bedarf für eine Gesamterneuerung, einen Ausbau oder einen Neubau einer Übertragungsleitung anmeldet. Der Bedarf für die Durchführung, Anpassung kantonaler Richtplan eines Sachplanverfahrens ist heute aus Sicht der Swissgrid nicht gegeben.» … Der Bund werde – so wird im Bericht zur Richtplanänderung die Haltung des Bundes weiter zitiert – «die Festsetzung einer konkreten Trassenvariante im kantonalen Richtplan nur mit Vorbehalt genehmigen.» (Bericht S. 65).
Den Unterlagen ist nicht zu entnehmen, worin der Sinn der Freiraumhaltung bestehen soll. Sobald der Sachplan des Bundes (irgendwann einmal) erarbeitet ist, wird der dortige Verlauf für den Richtplan entscheidend sein; vorher wird das Gelände nicht für die Erdverlegung genutzt werden können. Kommt dazu, dass eine Raumfreihaltung nichts über die Tiefe der Leitungen aussagen kann. Damit lässt sich heute auch nicht feststellen, ob privates Grundeigentum betroffen ist. Rechtssicherheit kann der behördenverbindliche Richtplaneintrag für den allenfalls betroffenen GrundeigentümerInnen nicht bieten. Die Bundessachplanung ist noch nicht einmal angedacht. Vielmehr hält die beim Bund für die Planung zuständige Swissgrid den Bedarf für die Durchführung eines Sachplanverfahrens als nicht gegeben (Bericht S. 65 f.). Und wenn dann die Sachplanung (durch den Bund) in Angriff genommen wird, ist der Richtplan nicht verbindlich. Vielmehr wird der Bund zunächst einmal das Trasse nach eigenen Überlegungen festlegen. Diese Erkenntnisse fliessen dann in den Richtplan ein und sind in der Nutzungsplanung umzusetzen. Erst dann weiss der Grundeigentümer verbindlich, ob und wie er betroffen ist. Aus dem vorgeschlagenen Richtplan wird die kantonale Behörde jedenfalls die GrundeigentümerInnen nicht verpflichten können. Auch eine allfällige Pflicht zur Berücksichtigung der Freiräume in den kommenden Anpassungen der Nutzungspläne kann der Kanton selberverständlich nicht verlangen, wenn der Bund in diesem Bereich – wie angekündigt – einen Genehmigungsvorbehalt anbringt.
Was der Kanton mit der Anpassung des Richtplans genau verfolgt, ist dem Bericht nicht zu entnehmen. Auf die vorsorgliche «Raumfreihaltung Erdverlegung Hochspannungsleitung» ist deshalb zu verzichten.
- Schlussforderung: Verzicht auf Anpassung einzelner Bereiche – Zwingende Überarbeitung des Berichts
Wie ausgeführt, soll auf verschiedene Richtplananpassungen verzichtet werden:
- Wir beantragen grundsätzlich nur jene Projekte weiter zu verfolgen, die aus aktuellem Anlass zu entscheiden sind und nicht auf eine Gesamtüberarbeitung warten können.
- Auf die Anpassung der Radwege ist zu verzichten; es ist vielmehr zu prüfen, wie die Verkehrssicherheit auf den bereits bestimmten Strecken verbessert werden kann.
- Auch auf die Anpassung des Netzes des öffentlichen Verkehrs kann verzichtet werden, schreibt sie doch – ohne führend zu wirken – nur die Situation nach, die die Gemeinden Zug und Baar in ihrer Planung bereits vorgesehen habe.
- Und schliesslich ist auch die Freiraumhaltung für die Erdverlegung der Hochspannungsleitung aufgrund der fehlenden Zuständigkeit und Aktualität nicht festzulegen (eine grundsätzliche Erdverlegung begrüssen wir).
In der «Diskussion» der richtplanerischen Verkehrslösungen Rotkreuz zeigt sich ein grundlegendes Problem des Berichts in der vorliegenden Form. Es wird auf so viele Expertisen und Nebenunterlagen verwiesen, ohne deren wichtigsten Ergebnisse im Bericht selber zu erwähnen, dass keine verbindlichen Schlüsse möglich sind. Dem Bericht ist nicht ohne grossen Aufwand zu entnehmen, was warum genau geplant werden soll. Wir sind uns bewusst, dass die Verkehrsverhältnisse in Rotkreuz nicht einfach zu lösen sind. Der vorliegende Bericht löst aber das Chaos jedoch nicht auf. Im Gegenteil führt er zu Verwirrung und die geneigten Lesenden wissen am Schluss nicht mehr, was gelten und was der Kantonsrat nun beschliessen soll. So wird einerseits der Bypass in Rotkreuz erwähnt, der dann bei der Variantendiskussion untergeht – um nur ein Beispiel zu erwähnen.
Bei den einzelnen Bereichen wird jeweils am Schluss unter dem Titel «Interessenabwägung» auf einzelne Festsetzungen verwiesen eine raumplanerische Interessenabwägung (Art. 3 RPV) findet damit nicht statt. Vielmehr suggeriert der Abschnittstitel mit jeweils wenigen Zeilen (S. 35, 43, 47, 50 und 56) ein Vorgehen, das den gesetzlichen Anforderungen nicht genügt. Nach Art. 3 Abs. 2 RPV haben die Behörden die Interessenabwägung bzw. die einzelnen Schritte nach Art. 3 Abs. 1 RPV in der Begründung ihrer Beschlüsse darzulegen. Die Zusammenfassung enthält nicht Begründungen, sondern Entscheide bzw. Festsetzungen.
Der Bericht lässt in dieser Form eine gesicherte und abgestützte Meinung im Kantonsrat nicht zu. Denn er setzt offensichtlich voraus, dass der Gesetzgeber alle Nebenberichte und Grundlagen gelesen und auch verstanden hat. Dies ist nur mit einem exorbitanten Aufwand möglich, den sich wohl nur die Fachleute der Baudirektion und ihrer Fachgruppen leisten können. Die mit dem vorliegenden Mitwirkungsverfahren angesprochene Bevölkerung und die anschliessend beratenden Kantonsrätinnen und Kantonsräte sind mit dieser Form überfordert. Die Mitwirkung ist somit nur formell erfolgt, materiell kann daraus kein Nutzen gezogen werden. Ob dies im Sinn von Art. 4 RPG ist, muss offen blieben. Bei dieser unübersichtlichen Berichtsart kauft man die Katze im Sack. Die Konsequenzen bei einer Zustimmung oder Ablehnung sind nicht einschätzbar.
Der Bericht ist so zu überarbeiten, dass er aus sich selber heraus verständlich ist und nicht darin besteht, eine Fülle von Tätigkeiten oder Argumenten aufzulisten, deren Bewertung dann nicht nachvollzogen werden kann. Der Leser bzw. die Kantonsrätinnen dürfen nicht auf die Grundlagen und weiteren Fachgutachten verwiesen werden; sie müsse die Überlegungen aus dem Bericht verstehen können.
Freundliche Grüsse
Barbara Gysel Meinrad Huser
Präsidentin, Kantonsrätin Mitglied der Geschäftsleitung