Der Ökonom Reiner Eichenberger propagierte bei Corona eine „geregelte Ansteckung“ der breiten Bevölkerung. 8 Milliarden stehen über die Arbeitslosengelder (ALV) bereit; aber der Bund solle ein 200-Milliarden-Paket stemmen und auch während dreier Monate die Löhne von sämtlichen Angestellten übernehmen, so die Forderung von anderen Ökonomen. Und der Zuger Regierungsrat will die Steuern senken. Was für „ökonomische“ Schnapsideen!
Als Politikerin bin ich überzeugt: Die Bewältigung der Corona-Krise liegt nicht nur in der Verantwortung der Politik, sondern auch Wirtschaft und Gesellschaft müssen ihren Beitrag dazu leisten. Nebst den Gesundheitsfragen, die oberste Priorität haben, ist klar, dass auch ökonomische Not gelindert werden muss. Es braucht dafür Support und Überbrückungshilfen. Aber das flächendeckende Giesskannenprinzip ist schlicht unnötig, ja kann sogar schädlich sein, weil es dann an den Mitteln für den effektiven Bedarf fehlt.
Stattdessen ist ein abgestuft-gezieltes, wirtschaftlich und sozial nachhaltiges Vorgehen zu wählen.
Erstens soll staatliche Unterstützung dort landen, wo dies aktuell am nötigsten ist, nämlich gezielt bei all jenen Angestellten inkl. Lehrlingen und Familien und bei all jenen KMU’s, die infolge von Corona reale Existenzprobleme haben. Daneben gibt es aber zahlreiche Angestellte in unserem Land, die in der Krise problemlos eine Zeitlang Lohnverzicht leisten könnten. Ich zum Beispiel verdiene genug, dass ich auch bei einem allfälligen Lohnausfall über die Runden komme. So wie mir geht es vielen Angestellten im mittleren und höheren Kader, in gut bezahlten Stellen des öffentlichen Sektors, bei NGOs, Wirtschaftsverbänden und Gewerkschaften, aber auch in der Privatwirtschaft. Ich bin überzeugt, dass solche Personen – ich inklusive – gut auf a) Kurzarbeitsentschädigung verzichten und b) sogar einen freiwilligen Lohnausfall verkraften könnten.
Zweitens ist diese ökonomische Argumentation ein Bumerang. In der Wirtschaftskrise der 1930er-Jahre erhoben der Bund und manche Kantone eine Krisensteuer (im Fall der Kantone war es eine Zusatzsteuer), um damit die Aufwendungen für staatliche Antikrisenmassnahmen zu finanzieren.
Auf dem fiskalischen Gebiet ist meines Erachtens eine Doppelstrategie gefordert: All jene, die sonst reale Probleme hätten, sollen ihre Steuern später bezahlen können.
Aber wer über ein finanzielles Polster infolge von hohem Einkommen, Vermögen, Kapitalgewinnen etc. verfügt, der oder die könnte jetzt einen steuerlichen Solidaritätszuschlag bezahlen. Ein solcher Solidaritätszuschlag könnte die Form eines Zuschlags auf der Einkommens- oder auf der Vermögenssteuer ab einer gewissen Höhe des Einkommens, des Gewinns oder des Vermögens annehmen.
Oder es könnte die Einführung, eventuell auch temporär begrenzt, einer Kapitalgewinnsteuer bei den natürlichen Personen geprüft werden. Das letzte Mal wurde dieses Mittel von der damaligen Bundesrätin und Finanzvorsteherin Eveline Widmer-Schlumpf im Kontext der Unternehmenssteuerreform erwogen.
Solche einnahmeseitigen Mittel könnten wichtig sein, um zu vermeiden, dass später aufgrund der knappen staatlichen Kassen wieder ein Sozialabbau droht! Wo bleibt jetzt und heute die finanzielle Solidarität von Grossunternehmen, die die Krise zu stemmen vermögen? Oder von privaten Wohlhabenden? Aktuell ist viel Kreativität und Solidarität zu erleben, von der Nachbarschaftshilfe bis zum Kultur- und Bildungsbereich, wo Filme, Lerntrainings und digitale Museumsbesuche kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. Bei der Wirtschaft vermisse ich dagegen differenzierte Beiträge. Stattdessen ertönt der Ruf nach gigantischer Staatshilfe für alle Unternehmen (und ihre Angestellten), als gäbe es kein Morgen.
Mit der heutigen Mitteilung des Zuger Regierungsrats, die Steuern senken zu wollen, produzieren wir einen asozialen Bumerang. Schon heute sind die Folgen des früheren Sparpakets noch nicht verdaut, Sparmassnahmen im Bildungs- und Sozialbereich sind nicht rückgängig gemacht, obwohl wir wieder mächtig im Plus sind. Es droht schon fast ein Corona-Missbrauch. Das ist zynisch und kurzsichtig.
Setzen wir unsere Energie für nachhaltige Lösungen ein, damit später, wenn die Krise vorbei sein wird, kein finanzieller und Spar-Kater droht. Sorgen wir stattdessen dafür, dass Lehrlinge ihre Abschlussprüfungen abhalten können, dass Selbständige, Angestellte mit tiefem Einkommen und bedürftige KMU’s gezielten Support erhalten. Aber nicht Staatshilfen nach dem Giesskannenprinzip! Sonst droht das Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Leben wir stattdessen Solidarität auch von Wirtschaft, Gutverdienenden und Wohlhabenden.
Barbara Gysel
Kantonsrätin / Präsidentin SP Kanton Zug