Pestizide und Nitrat im Zuger Trinkwasser? Interpellation der SP-Fraktion

Interpellation der SP-Fraktion im Kantonsrat Zug vom 9. Sept. 2019

Die SP bittet den Regierungsrat um die Beantwortung folgender Fragen:

  1. Werden in unserem Kanton die Grundwasserfassungen, welche für die Trinkwassergewinnung genutzt werden, regelmässig auf Rückstände von Pestiziden (Wirkstoffe und Abbauprodukte) untersucht? Wenn ja: wie viele Fassungen sind das, in welchem Rhythmus und welche Pestizidrückstände werden untersucht? Falls ja: Seit wann werden diese Untersuchungen durchgeführt?
  2. Wie sind die Ergebnisse dieser Untersuchungen zu bewerten (Anzahl Fassungen mit Konzentrationen von Pestizidrückständen resp. Metaboliten von mehr als 0.1 µg/l) bezgl. eidgenössischen Gewässerschutzverordnung resp. der Lebensmittelgesetzgebung (TBDV)? Welcher Trend zeichnet sich ab in der regionalen Verteilung oder im Stoffgemisch? Sind gegebenenfalls Gründe und Verursacherquellen (z.B. Verschmutzung von Fliessgewässern) bekannt?
  3. Sind die jüngst bekannt gewordenen Abbauprodukte von Chlorthalonil, von welchen eine Gesundheitsgefährdung ausgehen kann (siehe BLV, Chlorthalonil) auch dabei? Werden diese über 0.1 µg/l gemessen? Wer ist davon betroffen? Was unternimmt der Kanton um eine Gesundheitsgefährdung der Bevölkerung auszuschliessen? Was wird unternommen, um den Pestizideintrag kritischer Pestizide ins Grundwasser allgemein und speziell nahe der TW-Fassungen zu verhindern?
  4. Falls die Antwort auf Frage 1 negativ ist, sieht der Regierungsrat vor, in Zukunft die genutzten Grundwasserfassungen besser zu überwachen und die problematischen Pestizide regelmässig zu untersuchen? Welche finanziellen Ressourcen werden dafür verbindlich zur Verfügung gestellt?
  5. Bei wie vielen Grundwasserfassungen wird die numerische Anforderung der eidgenössischen Gewässerschutzverordnung für Nitrat von 25 mg/l bzw. der Höchstwert für Trinkwasser von 40 mg/l überschritten? In welchen Gebieten liegen diese Fassungen?
  6. Hat der Regierungsrat bereits Massnahmen ergriffen, damit die numerischen Anforderungen wieder eingehalten werden, so wie das die eidgenössische Gewässerschutzverordnung verlangt? Wenn ja: welche Massnahmen sind das? (Wer finanziert diese Massnahmen: der Kanton oder der Bund oder die Wasserkonsumierenden?)
  7. Wie viele Grundwasserfassungen wurden in den letzten 30 Jahren aufgegeben wegen Nitrat oder anderer Fremdstoffe (oder von wie vielen Fassungen wird das Wasser gemischt, damit es den Trinkwasseranforderungen genügt), weil die Wasserqualität ungenügend war?
  8. Gemäss Lebensmittelrecht müssen die Wasserversorgung ihre Abnehmenden über die Qualität informieren – auch über Rückstände. Wird diese Pflicht von allen Wasserversorgungen wahrgenommen?

 

Begründung:

Das Kantonslabor des Kantons Schaffhausen hat kürzlich aufgezeigt, dass rund 11% der Trinkwasserversorgungen Trinkwasser abgeben müssen, das mit gesundheitlich bedenklichen Pestizid-Abbauprodukten des Wirkstoffs Chlorthalonil so stark verunreinigt ist, dass der Höchstwert für Trinkwasser nicht eingehalten wird. Offensichtlich wurden diese Abbauprodukte bis vor kurzem kaum je untersucht (u.a. wurde aufgrund neuerer Studien die Risikobewertung der Abbauprodukte hochgestuft auf neu «relevant»). Diese Abbauprodukte sind so langlebig, dass auch nach einem allfälligen Verbot von Chlorthalonil damit gerechnet werden muss, dass die betroffenen Grundwasservorkommen noch über Jahre oder gar Jahrzehnte hinaus verunreinigt sein werden. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass noch weitere Pestizide solche problematischen Rückstände im Trinkwasser hinterlassen.

Gemäss den Untersuchungen des Bundes (NAQUA) überschreitet die Nitratkonzentration immer noch in rund 15% der Grundwassermessstellen die Anforderung der eidgenössischen Gewässerschutzverordnung, in Ackerbaugebieten sogar rund 60% (siehe BAFU: Nitrat im Grundwasser). Eine dänische Studie hat kürzlich aufgezeigt, dass Nitrat im Trinkwasser vermutlich bereits bei viel tieferen Konzentrationen gewisse Formen von Darmkrebs fördern kann, als Schweizer Höchstwerte sind (Schullehner et al. 2018).

Diese Befunde zeigen, dass es von grösster Wichtigkeit ist, das als Trinkwasser genutzte Grundwasser regelmässig und umfassend auf solche Problemstoffe zu untersuchen und vor der Verschmutzung vorsorglich effektiver zu schützen. Die eidgenössische Gewässerschutzverordnung verlangt deshalb auch von den Kantonen, dass sie Massnahmen an der Quelle ergreifen, wenn ein als Trinkwasser genutztes Grundwasser z.B. mit Pestiziden oder Nitrat verschmutzt ist. Die Bevölkerung hat ein Recht zu wissen, wie die Qualität ist, wie gut ihr Trinkwasser geschützt wird und welche Massnahmen an der Quelle ergriffen werden, um die Ursachen von Verschmutzungen zu beseitigen und nicht die betroffenen Grundwasserfassungen zu schliessen.

 

 

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