Zug hat keine Kunst, Zug ist.

von Barbara Gysel, 10. Juni 2015

Ein Publikumsmagnet wie Zürichs „Hafenkran“ und gebaut auf einer Katastrophe: Roman Signers Kunstobjekt, das durch seine Treppe unter den Wasserspiegel wie ein umgekehrtes Periskop einen Blick in die Tiefe erlaubt, zieht aber alle in ihren Bann. Vielleicht lebt die Skulptur gerade vom Zusammenspiel vom Schaurigen der „Katastrophenbucht“ und vom Schönen. (Weitere Perspektiven zum Zugersee als ‘Treffpunkt, Marketinginstrument, Preistreiber oder Lebensgrundlage’ bietet die Ausstellung ‘Seesichten Zugersee’ vom doku-zug.ch.)

Ich freue mich über Signers Skulptur, aber auch darüber, dass Kunsthaus, Firmen und Behörden an einem Strick zogen und es schafften, dieses Objekt für zehn Jahre zu installieren. Und zu finanzieren: nebst privaten Spenden kam mit Fr. 130‘000.- auch der Lotteriefonds zum Zug. Zu Recht: Die Lotterievereinbarung schreibt vor, dass der Swisslos-Reingewinn „für die Unterstützung gemeinnütziger und wohltätiger Projekte“ verwendet werden muss – pro Tag sind es eine Million Franken, die an die kantonalen Fonds fliessen. Eine repräsentative Studie des Max-Planck-Instituts für Gesellschaftsforschung zeigt die Fakten auf: Es sind vor allem Menschen mit hart verdientem, aber unterdurchschnittlichem Einkommen, die Lottoscheine erwerben. Somit erfolgt eine Umverteilung von unten nach oben.

Mit der Skulptur von Signer wird nun der breiten Bevölkerung Zugang verschafft – Kunst für alle statt für wenige. Ein Meisterstreich!

Dieses Konzept bewährte sich auch schon anderswo an den Gestaden des Zugersees: etwa mit den hölzernen Installationen und Sitzgelegenheiten des Japaners Kawamata, die durch Zug führen und gar erlauben, dass wir uns bei Sommerhitze nicht den Hintern verbrennen. Das ist ein Gegenstück zu jener Kunst, die als Teil des Kapitalmarkts funktioniert und zuweilen den Boden unter den Füssen verliert. Bei uns ist mehr Pragmatik ansagt. Das Kunsthaus und Künstler/innen öffnen sich, Kunst wird erfahrbar, sucht den Dialog, wird in unserem Alltag integriert.

Pflegen wir diese Kontinuität weiter, denn es ist nicht nur „l’art pour l’art“: Wir haben nicht einfach Kunst, wir sind Kunst. Merci an alle Kulturschaffenden.

Barbara Gysel, dipl. Kulturmanagerin und Kantonsrätin SP, Oberwil

Barbara Gysel

Barbara Gysel