Achtung Vorurteile

von Barbara Gysel, 5. März 2013

Leserbrief in der Neuen Zuger Zeitung vom 5. März 2013, von Barbara Gysel

Zur Interpellation im Kantonsrat Zug «Leiter Aufsicht in den sozialen Diensten Asyl»

Vorläufig aufgenommene Asylsuchende können heute in der Schweiz legal arbeiten: Die Möglichkeit zur Gleichstellung vorläufig Aufgenommener mit Aufenthaltern wurde erstmals auf den 1. April 2006 auf Verordnungsebene eingeführt. Auf den 1. Januar 2007 folgt die Regelung im Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer (Anag) und auf den 1. Januar 2008 im Ausländergesetz (AuG). Diese Änderung erfolgte also noch unter der Ägide des damaligen Justizministers Christoph Blocher, der von 2003 bis 2007 im Bundesrat war. Also von einem Politiker der SVP, der auch die beiden kantonsrätlichen Interpellanten angehören, die nun die Anstellung eines vorläufig aufgenommenen Asylbewerbers als Leiter Aufsicht im Asylbereich kritisieren. In der öffentlichen Verwaltung hatten im Jahr 2006 nur 8,1 Prozent der Angestellten keinen Schweizer Pass, während Ausländer in der gesamten Erwerbsbevölkerung mittlerweile rund 27 Prozent ausmachen. Entsprechend empfahl der Integrationsbericht 2006 des Bundes, es seien in der öffentlichen Verwaltung vermehrt auch ausländische Arbeitnehmende anzustellen. Dieser Empfehlung kommt die Direktion des Innern mit dieser Stellenbesetzung erfreulicherweise nach. Eine solche vermehrte Berücksichtigung von Ausländerinnen und Ausländern stünde unseren Behörden auf allen Verwaltungsstufen in Gemeinden und Kanton gut an.

Ein Kritikpunkt der beiden Kantonsräte Philip C. Brunner und Jürg Messmer lautet wie folgt: «Zum Beispiel besteht das Risiko, dass eine solche Person die eigenen Landsleute besserstellt, während Personengruppen aus anderen Ländern diskriminiert werden.» Diese Aussage enthält den diskriminierenden Vorwurf, wonach Ausländer nicht fähig sein sollen, neutral und jenseits «ethnischer» Zugehörigkeiten zu denken und sich zu verhalten. Das ist ein oft angetroffenes Klischee, mit dessen «Hilfe» Ausländer für verantwortungsvolle Arbeiten oder Aufgaben gar nicht in Betracht gezogen oder ihnen der Zugang verwehrt werden soll. So wurde kürzlich einem Kandidaten fürs Präsidium einer Integrationskommission ausschliesslich wegen seines türkisch-kurdischen Familienhintergrundes Befangenheit und potenziell mangelnde Neutralität unterstellt.

Spielen wir das Argument doch einmal durch: Bei der Polizei arbeiten grossmehrheitlich Schweizer ohne Migrationshintergrund. Würden die Einwände der beiden Kantonsräte gelten, dann wäre zu befürchten, dass Schweizer Polizisten ihre eigene Ethnie bei Konflikten bevorzugen und ausländische Personen benachteiligen. Wird das Argument zu Ende gedacht, müsste man das Zuger Polizeikorps restrukturieren. Die Vorstellung, wonach Ausländer per se nicht neutral sein können, sondern ihre Landsleute auf Kosten von anderen begünstigen, erweist sich damit als ein Vorurteil. Zu den anderen Fragen und Punkten der Interpellation (u. a. Verfahrensfehler) kann und will ich nicht Stellung nehmen, weil ich sowohl das Verfahren als auch die Person nicht kenne. Hiermit nehme ich Stellung gegen diskriminierende Vorurteile und möchte im Allgemeinen den dringenden Wunsch unterstreichen, wonach es bei der Zuger Verwaltung mehr Diversität braucht, genau, wie ich das auch in meiner Interpellation im Kantonsrat vom 7. Dezember 2009 getan habe. Denn schliesslich sind 25 Prozent der Wohnbevölkerung des Kantons Zugs ausländisch.

Barbara Gysel, Kantonsrätin, Zug

Achtung Vorurteile. Leserbrief in der Neuen Zuger Zeitung vom 5. März 20130 von Barbara Gysel

Barbara Gysel

Barbara Gysel