Mundart UND Hochdeutsch

von Beat Iten, 23. August 2016

Die Ferien sind vorbei, der Alltag kehrt zurück, auch der politische Alltag kehrt langsam wiederum ein. Eidgenössische und kantonale Abstimmungen stehen uns bevor, unsere Meinung ist also schon bald wieder an der Urne gefragt. Vor einer «äusserst schicksalhaften» Frage steht in diesem Herbst der Kanton Zug.

Wie viel Mundart muss es in unseren Kindergärten und in unseren Schulen geben, damit unsere Identität nicht verloren geht? Wie viel Hochdeutsch darf es sein, damit die Integration von Auslandkindern trotzdem noch gefördert wird? An diesen Fragen messen sich unsere schweizerische Identität und der Erfolg unserer Integrationspolitik. Es müssen enorme Missstände und eine akute Bedrohung vorliegen, dass sich die SVP mit einer Initiative für eine gesetzliche Verankerung der Mundart im Schulgesetz starkmacht, wo sie sonst doch unablässig von sich behauptet, gegen neue Gesetze und starre Regelungen zu kämpfen. Die Kinder sollen in Zukunft im Kindergarten und in ausgewählten Fächern in der Primarschule nur noch Mundart sprechen dürfen.

Kinder haben mit vielem einen unverkrampfteren Umgang als Erwachsene. Sie ahmen gerne Dinge nach, die sie irgendwo aufschnappen, auf dem Spielplatz, im Fernsehen oder im Unterricht von ihren Lehrpersonen. Spielerisch lernen sie den Umgang mit der hochdeutschen Sprache. Das Beherrschen dieser Sprache bildet die Grundlage für das Schreiben. Unsere Schriftsprache hat in vielen Bereichen andere Regeln als unsere Mundart. Wir sprechen in der Mundart anders, als wir schreiben. Der frühe und spielerische Umgang mit unserer Schriftsprache im Kindergarten kann die spätere Schreibfähigkeit also nur fördern.

Die heutige Regelung an unseren Schulen sieht vor, dass die Lehrpersonen im Kindergarten ab und zu die Standardsprache einsetzen, um den Umgang mit der hochdeutschen Sprache zu fördern. Natürlich hat auch die Mundart ihre Berechtigung. Mehrheitlich sprechen die Kinder im Kindergarten nach wie vor Mundart. Es liegt in der Freiheit und im Ermessen der Lehrpersonen, die Sprache vielfältig und je nach Situation einzusetzen. Behalten wir also die heutige Regelung bei, die noch nie zu einem Problem geführt hat und es auch weiterhin nicht tun wird. Mundart und Hochdeutsch bilden in unserem Sprachraum eine Einheit. Geben wir unseren Kindern die Möglichkeit, diese Einheit schon früh zu üben. Ich bin sicher, dass ihre Identität nicht darunter leiden und dass deswegen kein Kind ein besserer oder ein schlechterer Staatsbürger wird.

Lehnen wir daher die Mundartinitiative ab und unterstützen wir den Gegenvorschlag von Regierungs- und Kantonsrat, der keine starre Regelung vorsieht, sondern es den Lehrpersonen überlässt, wann sie im Unterricht welche Sprachform anwenden. Die Kinder können davon nur profitieren und werden so schrittweise an die Anforderungen der Schriftsprache herangeführt.

Beat Iten, Kantonsrat SP, Unterägeri

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